Legend - Fallender Himmel
gehen, ohne wenigstens zwei kräftige Sicherheitsleute und ein Team zu meiner Unterstützung.
Doch genau das habe ich vor, und zwar gleich morgen früh.
»Hören Sie. Sie müssen sich um mich keine Sorgen machen.« Durch die Scheibe sehe ich, wie der Spion sich vor Schmerzen windet. »Ich kann selbst auf mich aufpassen. Day ist kein Idiot - wenn ich mit einem ganzen Team im Schlepptau aufkreuze, kommt er mir im Nu auf die Schliche.«
Thomas wendet sich wieder dem Verhör zu. »Ich weiß ja, dass Sie gut sind«, erwidert er. Ich warte auf das Aber in seinem Satz. Doch es kommt nicht. »Lassen Sie bloß Ihr Mikrofon eingeschaltet, ja? Ich unterstütze Sie dann von hier aus, so gut ich kann.«
Ich lächele ihn an. »Danke.« Er sieht mich nicht an, aber ich kann sehen, wie sich seine Mundwinkel leicht heben. Vielleicht erinnert er sich daran, wie ich mich früher an seine und Metias’ Fersen geheftet und sie mit dummen Fragen über das Militär gelöchert habe.
Hinter der Glasscheibe schreit der Spion Commander Jameson plötzlich etwas zu und zerrt wild an seinen Fesseln. Sie wirft uns einen Blick zu und winkt uns mit einer knappen Geste herein. Ich zögere keine Sekunde. Thomas, ich und ein anderer Soldat, der vor der Tür des Verhörzimmers stand, eilen hinein und nehmen an der hinteren Wand Aufstellung. Heiße, stickige Luft schlägt mir entgegen. Ich beobachte den Gefangenen, der sich noch immer die Seele aus dem Leib brüllt.
»Was haben Sie zu ihm gesagt?«, frage ich Commander Jameson.
Sie blickt mich an. Ihre Augen sind eiskalt. »Dass unsere Luftschiffe als Nächstes seinen Heimatort angreifen werden.« Sie wendet sich wieder dem Gefangenen zu. »Wenn er weiß, was gut für ihn ist, fängt er bald an, mit uns zu kooperieren.«
Der Spion stiert uns einen nach dem anderen böse an. Blut läuft ihm aus dem Mund über Stirn und Haare und tropft auf den Boden unter ihm. Jedes Mal, wenn er zu zappeln anfängt, tritt Commander Jameson auf die Kette, die um seinen Hals liegt, und würgt ihn so lange, bis er aufhört.
Jetzt knurrt er und spuckt Blut auf unsere Stiefel. Angewidert wische ich meine am Boden sauber.
Commander Jameson bückt sich und lächelt ihn an. »Beginnen wir noch mal von vorne, ja? Wie ist Ihr Name?«
Der Spion dreht sich weg und antwortet nicht.
Commander Jameson seufzt und nickt Thomas zu. »Mir tun langsam die Hände weh. Wenn Sie so freundlich wären.«
»Ja, Ma’am.« Thomas salutiert und tritt vor. Sein Kiefer spannt sich an, dann ballt er die Faust und boxt den Spion hart in den Magen. Die Augen des Mannes treten hervor und er würgt noch mehr Blut auf den Fußboden.
Ich lenke mich ab, indem ich seine Kleidung studiere. (Messingknöpfe, Armeestiefel, ein blauer Anstecker am Ärmel. Was bedeutet, dass er sich als Soldat verkleidet hat und wir ihn in der Nähe von San Diego aufgegriffen haben, der einzigen Stadt, deren Einwohner dazu verpflichtet sind, solche Anstecker zu tragen. Ich sehe auch, wodurch er sich verraten hat: Einer der Messingknöpfe sieht ein wenig flacher aus als die aus der Republik. Er muss ihn sich selbst angenäht haben - den Knopf einer alten Kolonieuniform. Dumm. So einen Fehler würde wirklich nur ein Spion aus den Kolonien machen.)
»Wie ist Ihr Name?«, fragt Commander Jameson ihn erneut.
Thomas lässt sein Messer aufschnappen und greift sich einen Finger des Spions.
Der Spion schluckt krampfhaft. »Emerson.«
»Emerson und wie weiter? Drücken Sie sich etwas präziser aus.«
»Emerson Adam Graham.«
»Mr Emerson Adam Graham aus Osttexas.« Commander Jamesons Stimme klingt freundlich, beinahe schmeichelnd. »Es ist mir ein Vergnügen, Ihre Bekanntschaft zu machen, junger Mann. Und jetzt sagen Sie mir, Mr Graham: Warum haben die Kolonien Sie in unsere ehrbare Republik geschickt? Um ihre Lügen zu verbreiten?«
Der Spion stößt ein schwaches Lachen aus. »Ehrbare Republik«, schnaubt er. »Ihre Republik wird keine zehn Jahre mehr überstehen. Und das ist auch gut so, denn wenn die Kolonien erst einmal Ihr Territorium eingenommen haben, werden sie damit besser umzugehen wissen als Sie.«
Thomas schlägt dem Spion den Griff seines Messers ins Gesicht. Ein Zahn hüpft über den Boden. Ich werfe Thomas einen Blick zu - das Haar ist ihm ins Gesicht gefallen und die gewohnte Freundlichkeit darin ist einem grausamen Vergnügen gewichen. Ich runzele die Stirn. Diesen Ausdruck habe ich bisher nur selten bei ihm gesehen; ein Frösteln durchfährt
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