Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
Vom Netzwerk:
seinem Gürtel befestigt ist. Mir wird schwindelig. Ich weiß, was jetzt kommt.
    Der Soldat hebt den Arm und sprüht eine lange rote Linie diagonal über unsere Tür. Dann eine zweite, sodass ein X entsteht.
    Ich fluche leise und will mich schon abwenden - doch dann tut der Soldat etwas Unerwartetes, etwas, das ich noch nie zuvor gesehen habe.
    Er sprüht eine dritte, vertikale Linie auf unsere Haustür und teilt das X damit in zwei Hälften.

JUNE
    13:47 UHR
DRAKE-UNIVERSITÄT, SEKTOR BATALLA
INNENTEMPERATUR: 22°C
    Ich sitze im Vorzimmer des Dekans. Mal wieder. Auf der anderen Seite der Milchglastür lungern ein paar meiner Kommilitonen herum (alle kurz vor dem Abschluss und mindestens vier Jahre älter als ich), die aufzuschnappen versuchen, was los ist. Einige von ihnen haben mitbekommen, wie ich während des Nachmittagstrainings (heutiger Schwerpunkt: das Laden und Entladen eines XM-621-Gewehrs) von zwei bedrohlich aussehenden Wachen davongezerrt wurde. Und jedes Mal, wenn so was passiert, breitet sich die Neuigkeit rasend schnell über den ganzen Campus aus. Das Wunderkind der Republik hat mal wieder was ausgefressen.
    Im Büro ist es ruhig bis auf das leise Summen des Computers auf dem Schreibtisch der Sekretärin. Ich habe mir jedes einzelne Detail dieses Raums eingeprägt (handgeschliffene Bodenfliesen aus Marmor - Dakota-Import -, 324 quadratische Deckenplatten aus Kunststoff, sechseinhalb Meter grauer Vorhang zu beiden Seiten des Porträts unseres ehrwürdigen Elektors an der Rückwand des Büros, ein stumm geschalteter 30-Zoll-Bildschirm an der Seitenwand, der soeben die Schlagzeile Gruppe rebellischer Patrioten zündet Bombe in örtlichem Militärstützpunkt, fünf Tote zeigt, gefolgt von der nächsten: Republik schlägt Kolonien in Schlacht um Hillsboro). Arisna Whitaker, die Dekanatssekretärin höchstpersönlich, sitzt an ihrem Schreibtisch und tippt mit den Fingern auf die Glasplatte ein - wahrscheinlich schreibt sie an meinem Verweis. Meinem achten in diesem Quartal. Ich möchte wetten, dass ich die einzige Studentin an der Drake bin, die es jemals geschafft hat, acht Verweise in einem Quartal zu bekommen, ohne von der Uni zu fliegen.
    »Haben Sie sich an der Hand verletzt, Ms Whitaker?«, frage ich nach einer Weile.
    Sie hört auf zu tippen und wirft mir einen finsteren Blick zu. »Wie kommen Sie darauf, Ms Iparis?«
    »Ihr Tippen ist unregelmäßig. Sie versuchen, Ihre rechte Hand zu schonen.«
    Ms Whitaker seufzt und lehnt sich in ihrem Stuhl zurück. »Ja, June. Ich habe mir gestern beim Kivaballspielen das Handgelenk verstaucht.«
    »Das tut mir leid. Sie sollten versuchen, den Schwung mehr aus dem Arm zu holen statt aus dem Handgelenk.« Es ist als neutrale Bemerkung gemeint, doch es klingt eher spöttisch und trägt nicht dazu bei, dass ihre Laune sich bessert.
    »Damit das ein für alle Mal geklärt ist, Ms Iparis«, sagt sie. »Sie mögen sich ja für sehr schlau halten. Sie mögen der Ansicht sein, dass Ihnen aufgrund Ihrer exzellenten Zensuren eine Sonderbehandlung zusteht. Vielleicht meinen Sie sogar, dass Sie aufgrund dieses Unsinns so etwas wie eine Fangemeinde an dieser Universität haben.« Sie deutet in Richtung der Studenten, die sich vor der Tür versammelt haben. »Aber mir hängen unsere kleinen Zusammenkünfte in meinem Büro zum Hals heraus. Und lassen Sie sich eins gesagt sein: Wenn Sie nach Ihrem Abschluss die Stelle antreten, die die Regierung für Sie vorgesehen hat - welche auch immer das sein mag -, werden Sie Ihre Vorgesetzten dort mit solchen Eskapaden nicht mehr beeindrucken können. Haben wir uns verstanden?«
    Ich nicke, weil sie das von mir erwartet. Doch sie hat unrecht. Ich halte mich nicht bloß für schlau. Ich bin die Einzige in der ganzen Republik, die den Großen Test mit vollen 1500 Punkten abgeschlossen hat. Ich wurde mit zwölf Jahren hierhergeschickt, an die renommierteste Uni des ganzen Landes, dem normalen Zeitplan um vier Jahre voraus. Das zweite Jahr habe ich übersprungen. Während meiner drei Jahre an dieser Uni habe ich nur die allerbesten Noten bekommen. Ich bin schlau. Ich habe das, was die Republik als gute Gene bezeichnet - und je besser die Gene, desto besser die Soldaten und desto besser die Siegeschancen im Krieg gegen die Kolonien, sagen meine Professoren. Und wenn ich das Gefühl habe, dass man mir beim Nachmittagstraining nicht gründlich genug beibringt, wie man bewaffnet eine Wand hochklettert ... tja, dann kann man es wohl kaum mir

Weitere Kostenlose Bücher