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Legend - Fallender Himmel

Titel: Legend - Fallender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu
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»Ich fühle mich nur ein bisschen dehydriert und fiebrig. Vielleicht habe ich gestern etwas Falsches gegessen. Sagen Sie Commander Jameson, dass es mir heute Abend bestimmt besser geht.«
    »Okay, wenn Sie meinen. Tut mir leid. Gute Besserung.« Wieder eine Pause. »Aber wenn es Ihnen bis heute Abend nicht besser geht, schreibe ich einen Bericht und schicke einen Seuchentrupp zu Ihnen. Sie wissen ja, die Vorschriften. Und falls Sie möchten, dass ich vorbeikomme, rufen Sie mich an.«
    Du bist der Letzte, den ich sehen will. »Mache ich. Danke.« Ich lege auf.
    Mein Kopf tut weh. Zu viele Erinnerungen, zu viele Enthüllungen. Kein Wunder, dass Commander Jameson Metias’ Leiche so schnell weggeschafft hat. Und ich war so dumm zu glauben, dass sie es aus Rücksicht auf mich getan hat. Kein Wunder, dass sie sich um seine Trauerfeier gekümmert hat. Selbst meine Testmission, Day aufzuspüren, muss ein Ablenkungsmanöver gewesen sein, damit sie in meiner Abwesenheit ganz in Ruhe die Spuren verwischen konnten.
    Ich denke an den Abend zurück, als Metias beschlossen hatte, die Ausbildung bei Chian im Komitee des Großen Tests abzubrechen. Als er mich an dem Tag von der Schule abholte, war er schweigsam und in sich gekehrt. »Ist was nicht in Ordnung?«, erinnere ich mich, ihn gefragt zu haben.
    Er antwortete nicht. Stattdessen nahm er mich bei der Hand und ging mit mir Richtung Bahnhof. »Komm schon, June«, sagte er. »Lass uns einfach nur nach Hause fahren.«
    Als mein Blick auf seine Handschuhe fiel, sah ich darauf winzige Blutspritzer.
    Metias rührte sein Abendessen nicht an und fragte mich nicht, wie mein Tag war - was mich zunächst ärgerte, bis mir auffiel, wie mitgenommen er wirkte. Schließlich, kurz bevor es Zeit fürs Bett war, ging ich zu ihm und kuschelte mich in seinen Arm. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn.
    »Ich hab dich lieb«, flüsterte ich, in der Hoffnung, irgendetwas aus ihm herauszubekommen.
    Er drehte sich zu mir um. Seine Augen waren so traurig. »June, ich werde morgen beantragen, einem anderen Mentor zugewiesen zu werden.«
    »Magst du Chian denn nicht mehr?«
    Metias schwieg eine Weile. Dann senkte er den Blick, wie vor Scham. »Ich habe heute im Stadion jemanden erschossen.«
    Das war es also, was ihm zu schaffen machte. Ich sagte nichts und ließ ihn weiterreden.
    Metias fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich habe ein Mädchen erschossen. Sie hat den Test nicht geschafft und wollte aus dem Stadion fliehen. Chian hat mich angeschrien, sie zu erschießen ... und ich hab’s gemacht.«
    »Oh.« Damals war mir das nicht bewusst gewesen, aber heute denke ich, dass es sich für Metias angefühlt haben musste, als hätte er auf mich geschossen, als er das kleine Mädchen tötete. »Tut mir leid«, flüsterte ich.
    Metias starrte ins Leere. »Nur wenige Menschen töten aus einem guten Grund«, sagte er nach langem Schweigen. »Die meisten tun es aus den falschen Gründen. Ich hoffe, du wirst weder zu der einen noch zu der anderen Kategorie gehören.«
    Die Erinnerung verblasst und ich sinne noch eine Zeit lang über die Geister seiner Worte nach.
    In den nächsten paar Stunden rühre ich mich nicht. Als draußen das Nationalgelöbnis ertönt, höre ich die Leute unten auf der Straße den Text mitsprechen, aber ich mache mir nicht die Mühe aufzustehen. Ich salutiere auch nicht, als die Stelle kommt, an der der Elektor erwähnt wird. Ollie sitzt neben mir, starrt zu mir hoch und stößt hin und wieder ein Winseln aus. Ich blicke ihn an. Und überlege. Ich muss etwas unternehmen. Ich denke an Metias, an meine Eltern, dann an Days Mutter und seine Brüder. Die Seuche hat uns alle in ihren Klauen, auf die eine oder andere Art. Sie ist schuld am Tod meiner Eltern. Sie hat Days Bruder infiziert. Ihretwegen wurde Metias umgebracht, weil er die schreckliche Wahrheit herausgefunden hatte. Sie hat mir alle Menschen genommen, die ich je geliebt habe. Und hinter der Seuche steckt die Republik selbst. Das Land, auf das ich einst so stolz war. Das Land, das an Kindern, die den Großen Test nicht bestehen, Experimente durchführt und sie tötet. Arbeitslager - wir wurden alle hinters Licht geführt. Hat die Republik auch die Verwandten meiner Kommilitonen ermordet, all die Menschen, die bei Kämpfen oder Unfällen oder an Krankheiten gestorben sind? Was wird noch geheim gehalten?
    Ich stehe auf, gehe zu meinem Computer und nehme mein Wasserglas vom Tisch. Ich starre hinein. Aus irgendeinem Grund

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