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Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes

Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes

Titel: Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Aaron
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Erleichtert starrte Nico in die Dunkelheit, bis sie sich auflöste und sie den dunklen Boden des Tals erkennen konnte. Es war ein trockener, toter Ort. Der Boden war sandig, als wäre hier einst, vor langer Zeit, Wasser geflossen. Doch jetzt gab es dort nichts außer Steinen und einzelnen Blättern der dunklen Bäume, die vertrocknet im Sand lagen. Und am hintersten Ende des Tals saß eine Frau in einem langen, schwarzen Mantel im Schneidersitz auf einem großen, flachen Stein.
    Sie saß regungslos und hielt den Kopf gesenkt, sodass ihr feines dunkles Haar über ihr Gesicht fiel. Ihre Hände, so dünn und fahl wie die eines Skeletts, lagen in ihrem Schoß verschränkt, während an ihrem Handgelenk ein Paar silberne, matt glänzende Handschellen zitterten. Sie trug außerdem ein silbernes Halsband und Ringe um ihre Knöchel. Sie alle zitterten und brummten auf ihrer Haut wie Bienen. Selbst so weit entfernt konnte Nico das leise, hohle Klappern des Metalls hören.
    Nichts an der Frau ließ vermuten, dass sie Slorn und Nico auf dem Grat über sich bemerkt hatte. Sie saß still wie eine Puppe. Das Zittern der Fesseln um ihre Gelenke war die einzige Bewegung in der Schlucht. Doch je länger Nico sie anstarrte, desto mehr schien die Bewegungslosigkeit der Frau selbst sich zu winden und zu kriechen. Das kalte Gefühl begann wieder, an Nico zu nagen, und sie war gezwungen, den Blick abzuwenden.
    »Lebt sie?«, fragte Nico mit einem Blick zu Slorn.
    »Oh ja«, sagte Slorn, der die Frau mit einem traurigen Ausdruck in seinen dunklen Tieraugen musterte. »Sie ist ausgesprochen lebendig.«
    »Sie ist eine Dämonenbrut.« Es musste eigentlich nicht ausgesprochen werden, aber Nico tat es trotzdem, als könnten die klaren Worte der Frau in der Dunkelheit einen Teil ihres Schreckens nehmen.
    »Das ist sie«, sagte Slorn leise. »Ihr Name ist Nivel. Sie ist meine Frau.«
    »Ihre Frau?« Nicos Stimme zitterte. Sie wusste nur sehr wenig über Dinge wie Ehefrauen, aber es schien falsch, dass die Frau hier allein im Dunkeln sitzen sollte, unter freiem Himmel und Kilometer von zu Hause entfernt.
    Slorn musste in ähnlichen Linien gedacht haben, denn seine Antwort kam sofort. »Es war ihre Wahl«, sagte er. »Sie hat sich entschieden, hier in diesem Tal zu leben, um nicht ihren Ehemann oder ihre Tochter oder irgendjemand anderen verletzen zu können, wenn der Dämon erwacht. Das Tal hilft ihr, indem es unschuldige Geister fernhält. Innerhalb dieser Wände fällt kein Regen, es wachsen keine Bäume, und es weht kein Wind.«
    »Nichts, das den Dämon nähren könnte«, meinte Nico sanft. »Aber wie lebt sie? Menschen müssen essen.«
    Slorn ballte die Hände zu Fäusten. »In den fünf Jahren, seitdem ich sie dort hinabgelassen habe, hat Nivel weder etwas gegessen noch etwas getrunken. Sie schläft nicht, und sie bewegt sich nicht. Aber ihr Wille, ihr menschlicher Wille, ist immer noch in ihr, kämpft noch gegen den Dämon. Also ist sie auf die einzige Weise, die wirklich zählt, immer noch meine Nivel. Immer noch menschlich, selbst jetzt.«
    Nico verstand nicht, wie man jemanden menschlich nennen konnte, der weder aß noch schlief, aber sie hielt den Mund. Slorn sah wieder auf die Frau in Schwarz hinunter, und seine Stimme wurde unendlich traurig.
    »In den letzten zehn Jahren habe ich alles verpfändet: mein Leben, meine Arbeit, meinen Rang als Formmagier« – er hob eine Hand zu seinem pelzigen Kopf –, »selbst meine Menschlichkeit, um einen Weg zu finden, Nivel vom Abgrund zurückzuholen. Doch trotz all meiner Bemühungen ist es mir nur gelungen, das Unvermeidliche hinauszuzögern. Die Mäntel, die ich anfertige, und die Handschellen, sie sind nur Notnägel – ein Weg, den Dämon auszuhungern, einzuschränken und abzulenken.« Slorn fletschte die Zähne. »Zehn Jahre, und ich bin einer Heilung nicht näher als ganz zu Beginn.« Er sah Nico an. »Verstehst du, warum ich dir das erzähle?«
    Nico schüttelte den Kopf.
    »Weil ich mich im Gegensatz zu deinem Schwertkämpfer weigere, dir falsche Hoffnungen zu machen. Deswegen habe ich dich hierhergebracht.« Slorn legte seine Hände auf Nicos Schultern und drehte das Mädchen so, dass es wieder in den Abgrund sehen musste. »Schau genau hin. Was du dort siehst, ist deine Zukunft, das unaufhaltsame Ende. Ich habe gehört, was im Thronsaal von Mellinor geschehen ist. Ich weiß, dass du über die Kante getreten und zurückgekommen bist. Das ist ein Kunststück, das nicht viele

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