Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
vollbringen könnten, aber niemand kehrt unversehrt zurück.« Er drückte ihre Schultern fester. »Niemand ist stark genug, um mit dem Dämon zu spielen und jedes Mal zurückzukehren. Niemand kann den Dämon ewig zurückhalten. Selbst wenn du dich ihm mit allem widersetzt, was in dir steckt – die Dämonenbrut ist etwas, das außerhalb des Verständnisses von Mensch oder Geist liegt. Sie ist ein Raubtier, und wir, wir alle, Menschen und Geister, sind ihre Beute. Genauso wie Schafe nicht gegen den Wolf kämpfen können, können wir nicht gegen den Dämon kämpfen. Eli hat dich eines Mantels wegen hierhergebracht, aber ich kann dir keinen anfertigen, ehe du nicht verstehst, dass er nur eine Krücke sein kann, keine Heilung. Kein Mantel und keine Fessel, kein menschliches Werkzeug, keine Magie, kein Geist kann das Ding aufhalten, das in dir steckt.«
Nico sah ihm direkt in die Augen, dann befreite sie ihre Schultern mit einem Ruck aus seinem Griff. »Das mag schon sein«, sagte sie, »aber Eure Frau ist noch am Leben, und ich ebenfalls. Solange wir leben, können wir kämpfen.« Das war das Erste, was Josef ihr beigebracht hatte.
»Noch am Leben, wie du sagst.« Slorn seufzte. »Aber was den Kampf angeht …« Er sah in die Klamm hinunter, und auf seinem Bärengesicht lag ein Ausdruck der Trauer, der menschlicher war als alles, was Nico bis jetzt an ihm gesehen hatte. »Du kannst es nur verstehen, wenn du sie selbst fragst.«
Nico riss die Augen auf und wandte sich wieder dem Tal zu. Die Frau, Nivel, saß so bewegungslos wie immer, aber dann sah Nico, wie ihre Finger sich fast unmerklich bewegten. Sie hob ihre Hand so steif vom Schoß, direkt nach oben, als würde sie wie bei einer Marionette an einem Faden gezogen, und dann vollführten die dünnen, schlaffen Finger eine winkende Bewegung. Slorn stand vollkommen unbeweglich neben Nico und beobachtete die Frau, deren Hand zurückfiel auf ihren Schoß.
Nico schluckte schwer. »Ist es sicher für mich, da hinunterzugehen?«
»Natürlich nicht«, antwortete Slorn. »In deinem Zustand gibt es keine Sicherheit. Aber du hast weniger zu befürchten als jeder andere. Soweit ich weiß, frisst eine Dämonenbrut keine andere.«
Das machte es ihr nicht leichter, sich in die Dunkelheit fallen zu lassen. Doch Slorn setzte sich auf den Boden und hatte offensichtlich in nächster Zeit nicht vor, sich zu bewegen. Das war es also, was er von Anfang an geplant hatte! Als Nico das verstand, beschloss sie, es durchzuziehen. Sie holte tief Luft und trat vorsichtig über den Rand der Kluft.
Es war ein kürzerer Fall als erwartet, eine weitere optische Täuschung der unnatürlichen Schatten, die das Tal füllten. Sie landete ungeschickt im Sand, richtete sich aber sofort wieder auf. Jetzt, wo sie in der Klamm stand, war es dunkler als je zuvor. Sie konnte nichts sehen, nicht einmal die aufragenden Steinwände, die sie einzwängten. Das einzige Geräusch war das metallische Klappern der Schellen an den Armen der Frau. Nico konnte fühlen, wie ihre eigenen Fesseln einer Antwort gleich auf ihrer Haut summten und sich dem anderen Rhythmus anpassten. Als die Geräusche sich zu einem verbanden, wurde ihr Blick klarer. Es wurde nicht heller, denn es gab nicht mehr Licht als vorher. Trotzdem konnte sie jetzt alles deutlich sehen. Und dort, vor ihr, erblickte sie Nivel.
Die Frau war näher als erwartet. Ihre nackten Füße berührten fast Nicos Beine. Nico sprang zurück, und die Frau auf dem Stein gab ein dünnes, hohles Geräusch von sich, wie Sand, der über Metall geweht wird. Es kostete Nico einen Moment zu verstehen, dass Nivel leise lachte.
»Du hast gute Instinkte.«
Die Stimme der Frau war kaum mehr als ein Kratzen, nur ein Formen von Atem. Als hätte sie sich schon lange die Kehle wund geschrien. Ihre Augen, die in der unnatürlichen Dunkelheit so hell wirkten wie Laternen, glitzerten durch das lange verklebte Haar. Hinter ihr bewegten sich die Schatten in unnatürlichen Formen. Trotzdem fühlte Nico jetzt, da sie der Frau Auge in Auge gegenüberstand, eine seltsame Verbundenheit, und doch gleichzeitig auch den Drang, so schnell wegzurennen, wie sie nur konnte.
»Heinricht hat dir seinen Vortrag gehalten, oder?«, fragte Nivel. »Er hält ihn jeder Dämonenbrut, bevor er sie zu mir schickt. Trotzdem, du bist die Erste, die ich seit langer Zeit sehe. Ich dachte, er hätte letztendlich aufgegeben.« Sie seufzte, ein schneidendes, schnarrendes Geräusch. »Mein armer, treuer
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