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Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes

Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes

Titel: Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Aaron
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die Zähne putzte. Sie achtete besonders auf ihre Augen, die vom Schlafmangel und dem vielen Weinen gerötet waren. Als Nächstes grub sie eine Dose mit Puder hervor, die ihre Schwester ihr vor Ewigkeiten geschenkt hatte, und trug ihn auf ihre geröteten Wangen auf, um die roten Ringe unter ihren Augen so gut wie möglich zu verbergen. Schließlich, als sie so bleich und ernst aussah, wie es eben ging, öffnete Miranda die Kiste am Ende ihres Bettes und fing an, sich anzukleiden. Sie hatte ihre Sachen schon gestern Abend ausgesucht und sich für ihre Lieblingshose und ein weiches, helles Hemd entschieden, um sie unter der schweren Seidenrobe zu tragen, die bei einem formellen Hoftreffen vorgeschrieben war. Für heute hatte sie ihre offizielle Garderobe herausgelegt: eine Robe aus blutroter Seide mit weißen und goldenen Stickereien in breiten, geometrischen Mustern. Sie war grässlich. Der Stoff war in der Truhe steif geworden und roch muffig, aber die Robe machte ihren Status als anerkannte und vereidigte Spiritistin des Geisterhofes deutlicher kenntlich als die glitzernden Ringe an ihren Fingern – und das war genau der Eindruck, den sie zu erwecken hoffte.
    Nachdem endlich jeder schreckliche Knopf an der Robe geschlossen war, setzte sich Miranda aufs Bett und nahm ihre Ringe ab, einen nach dem anderen. Sorgfältig polierte sie jeden einzelnen mit einem weichen Stück Stoff, um den Geist darin aufzuwecken und zu beruhigen, dann schob sie die Schmuckstücke wieder auf ihre Finger. Danach kümmerte sie sich um Erols in Silber gefasste Perle auf ihrer Haut und legte die Kette nach der Säuberung, die von einem strengen Vortrag über die fatalen Folgen eines Trotzanfalls begleitet wurde, über ihrer Robe wieder an. Schließlich kämmte sie ihre Haare so glatt, wie es eben ging, und flocht die rote Masse zu einem strengen Zopf, damit ihr Gesicht von jedem Blickwinkel aus zu sehen war.
    Zuletzt schloss Miranda ihr Zimmer ab und ging die Stufen nach unten auf die Straße, wo Gin neben der Tür saß und auf sie wartete.
    »Weißt du«, sagte Miranda und kraulte ihm den Kopf, »nachdem du grundsätzlich gesehen kein gebundener Geist bist, musst du heute nicht mit mir kommen.«
    Gin schnaubte abfällig und trottete über die schmalen Wege zwischen den Gebäuden davon, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als ihm zu folgen.
    Am Seiteneingang des Turms trafen sie auf eine Gruppe von Krigels in rote Roben gekleideten Wachen. Miranda ließ sich mit Gin an ihrer Seite durch die breiten Nebenflure zur Hintertür des langen Raumes führen, der als Wartezimmer des Hofes diente.
    Wie alle Räume des Turms war auch das Wartezimmer weitläufig, was gut war, nachdem sie von einem fast fünf Meter langen Geisterhund begleitet wurde. Doch selbst mit Gin an ihrer Seite hatte Miranda das Gefühl, als würde der Raum sie verschlingen, wenn sie es zuließ. Die Einrichtung strahlte Strenge aus; sie war darauf ausgerichtet, die Leute darin mit dem Alter und der Macht des Geisterhofes zu beeindrucken. Gewöhnlich waren es untergeordnete Adelige oder Abgesandte des Rats, die Hilfe von Wassergeistern brauchten, die Überschwemmungen anzettelten, oder von launischen Winden, welche die Ernte verdarben. Nachdem sich heute Morgen nur sie im Raum aufhielt, waren die Lampen nicht entzündet, und das düstere, graue Licht, das durch die hohen Fenster fiel, verlieh der sonst so luxuriösen Ausstattung des Raumes eine schwermütige, kalte Ausstrahlung.
    Ihre Wachen, die schweigsam geblieben waren, seitdem sie sie in Empfang genommen hatten, nahmen ihre Plätze an den vielen Türen ein, die in den Raum führten. Miranda sah sich eine Weile verloren um, dann setzte sie sich auf eine der gepolsterten Bänke gegenüber der großen Tür, die in den Geisterhof selbst führte. Sie wusste aus Erfahrung, dass man sie von dort aus rufen würde. Sie hatte schon einmal hier gewartet, am Tag, bevor sie ihren Eid abgelegt hatte. Jetzt, wo sie wieder hier saß, fühlte sie dieselbe nervöse Spannung in ihrem Bauch. Damals war es aufregend gewesen; jetzt erzeugte das Gefühl nur Übelkeit.
    Durch die schwere Holztür konnte sie hören, wie die versammelten Turmwächter ihre Plätze einnahmen. Gedämpfte Gespräche schwollen an und ab, und eine selbstgefällige, lachende Stimme schallte über alle anderen Geräusche hinweg. Sie hatte diese Stimme bis jetzt nur ein paar Mal gehört, aber sie erkannte sie sofort. Wie sollte man Herns höhnische Arroganz jemals

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