Legenden d. Albae (epub)
zweitausend Srink in den umliegenden Wäldern aufhielten, die im wahrsten Sinne des Wortes nach Karjunas Pfeife tanzten.
Caphalor hatte sich mit dem Barbarenfürsten getroffen. Andeutungsweise hatte er wissen wollen, ob Lotor ihm seine Hilfe zusicherte, falls er einige seiner Krieger benötigte, um die Fleischdiebin aus der Welt zu schaffen, ohne dass ein Verdacht auf ihn fiele.
Während sie stirbt, muss ich an einem anderen Ort sein. Nur dann lassen sich die Srink als Verbündete gewinnen.
Lotor hatte sich noch nicht geäußert.
Er dachte zwangsläufig an Raleeha und seine Entscheidung, sie doch gehen zu lassen.
Verstoßen wäre das passendere Wort.
Zum nächsten Treffen mit dem Barbarenfürsten würde er sie mitnehmen, ihr das Halsband abnehmen und sie davor warnen, jemals wieder nach Dsôn Faïmon zu kommen.
Es ist besser. Mein Platz ist bei meiner Gefährtin. Ich darf den Truggebilden von ihr und mir nicht nachjagen. Es führt zu nichts.
Mit diesem Entschluss hatte sich eine große Erleichterung bei Caphalor eingestellt. Er war mit sich im Reinen.
Hufschlag näherte sich dem Zelt, und Caphalor erhob sich vom Stuhl. Gleich danach trat eine Albin herein.
»Enoïla? Was tust du hier?«, sagte er überrascht. Das schummrige Licht zeigte ihr Antlitz schattenhaft, die gelben Haarsträhnen schimmerten dafür umso deutlicher »Du musst gehen! Die Fleischdiebin kann jeden Augenblick erscheinen, und
dich
sollte sie nicht hier sehen!«
»Warum?«, flüsterte sie.
»Das fragst du noch? Ich muss sie überreden, mich nicht zum Gemahl zu nehmen. Das wird nicht gelingen, wenn sie dich sieht.« Er lauschte, aber noch hörte er die Schritte der Obboona nicht. »Ist etwas geschehen, dass du dich hierherbegeben hast?« Sorge machte sich in ihm breit, er ging auf sie zu und nahm sie in die Arme. »Verzeih, dass ich nicht gleich danach gefragt habe. Ich bin zu …« Caphalor stockte.
Enoïlas Antlitz war maskenhaft, starr, als wäre es leblos.
Die Augenfarbe stimmt nicht
!
Er drehte die Lampe höher, um die Albin zu beleuchten. Das Flämmchen zuckte im Wind.
Um ihre Augen herum haftete Blut, unter der Nase war es abgewischt worden; an vereinzelten Stellen hatte die Haut Risse, und an ihrem Halsansatz zeigten sich ebenso Reste vom Lebenssaft.
Caphalor sah auf den schwarzen Schopf. Die Strähnen saßen an der richtigen Stelle, der Duft der Haare passte.
Es ist ihr Geruch.
»Was … ist mit …?« Er wehrte sich gegen das Entsetzen, welches das Verstehen in seinem Unterbewusstsein auslöste. Ganz langsam zog er an einer gelben Strähne.
Enoïlas Schopf – löste sich!
Mit ihm geriet ihr gesamtes Antlitz ins Rutschen, verformte sich, knautschte sich und wurde zu einem Zerrbild ihrer Schönheit. Schlaff hing die Haut wie eine Maske herab, runzlig und hässlich.
Darunter kam der blutverschmierte, halb verbrannte Kopf der Obboona zum Vorschein. »Du hast es mir bei deiner Gefährtin geschworen«, sagte sie kichernd. Von ihren Lippen sprühte Enoïlas Blut und benetzte seine Züge. »Nachdem du mich erneut verraten hast, mein Halbgott, habe ich mir genommen, was mir zusteht: dein Heiligstes.« Sie lächelte, zog auseinem Säckchen an ihrem Gürtel die Gesichtshaut seiner Tochter und warf sie ihm vor die Füße wie Unrat. Danach streckte sie die Arme aus. »Du bist nun frei von ihr, mein Halbgott. Frei für
mich
!
«
Caphalor hatte seine Stimme verloren. Sein Denken. Seinen Verstand.
Er ließ das gehäutete Antlitz seiner Gefährtin fallen, brach in die Knie und nahm es wieder an sich, hielt es wie ein Kind, versuchte die Haare zu richten, beugte sich schließlich darüber und krümmte sich. Erst dann stieß er einen fürchterlichen Schrei aus.
Die Wachen rannten ins Zelt.
»Fasst mich nicht an! Ich habe ihm nichts getan«, rief Karjuna und lachte gleich danach. »Ich bin die Königin der Srink! Ich stehe unter dem Schutz der Unauslöschlichen!«
»Nostàroi!« Ein Gardist näherte sich ihm. »Nostàroi, was ist mit Euch?«
»Er trauert um seine Gefährtin«, erwiderte die Obboona an seiner Stelle. »Sie hat den Tod gefunden. Seinetwegen und wegen seines gebrochenen Schwurs.«
Langsamer, als ein breites Blatt an einem windlosen Tag von der Baumkrone zu Boden fällt, hob Caphalor den Kopf.
Wutlinien standen in seinem Antlitz, zuckten vorwärts, wurden mehr und mehr. Er hatte die Haut seiner Gefährtin vor sich hingelegt, kam langsam auf die Beine. Es schien, als sammle er Energie, staute sie an für eine
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