Legenden d. Albae (epub)
veränderte, damit sie sich angeblich wie ein Alb anhörte. Die seinem Volk von Inàste verliehene Klangfarbe, melodisch und gefährlich zugleich, würde sie jedoch nie auf diesem Wege erreichen.
»Du beleidigst unsere Ohren«, schrie er sie an.
»Verzeiht«, rief sie demütig und kauerte sich nieder.
»Wer sagt, dass wir ihr Wissen brauchen?«, warf Sinthoras ein. »Sie ist nur eine Last.« Er hob den Speer und wollte zustechen.
»Ich stand in den Diensten des Gålran Zhadar«, erwiderte sie flink. »Ich kenne sämtliche Türme, jeden Gang und auch die geheime Pforte, durch die ich flüchtete und in die Arme der Trolle lief.« Sie lächelte und zeigte makellose, blendend weiße Zähne. »Was möchtet Ihr ihm nehmen? Sein Leben oder seine Schätze? Von Letzteren hat er so viele, dass er einen neuen Turm in Arbeit geben möchte!«
Caphalor bedeutete Sinthoras, zu ihm zu kommen, dann wandten sie sich ein Stück vom Käfig ab. »Wir sollten es mit ihr probieren.«
Sinthoras schüttelte den Kopf, die blonden Haare schwangen bei der Bewegung mit. »Zu ungewiss. Sie wird uns in einen Hinterhalt locken, um uns umzubringen und sich unsere Haut überzustreifen.«
»Ich habe diese Himmelsfestung gesehen, Sinthoras. Wir werden ohne ihr Wissen nicht hineingelangen.«
»Wann und wo hast du sie gesehen?«
»Eben noch, von dem Baum aus, auf dem ich saß.«
Sinthoras musterte ihn. »Wie weit entfernt?«
»Zwei Meilen …«
»Aus zwei Meilen Entfernung siehst du, dass es uns nicht gelingen wird. Deine Augen hätte ich gern. Deinen Kleinmut hingegen nicht.« Sinthoras zog die Brauen hoch, sein Mund zeigteein spöttisches Lächeln. »Ich sehe mir diese Himmelsfestung aus der Nähe an, danach überlegen wir, was wir mit der Fleischdiebin anstellen.« Für ihn war die Unterredung beendet. Er ließ Caphalor stehen und ging am Käfig vorbei, ließ das Speerende an den Stäben entlangrattern und verschwand im Unterholz.
Caphalor drehte sich um, sah dem Alb nach. »Ich sollte ihn jetzt töten«, murmelte er. »Es würde mir mehr bringen, als mich unentwegt mit ihm herumärgern zu müssen.« Seufzend folgte er ihm, deckte im Laufen den Käfig wieder zu und achtete nicht auf die Rufe der Obboona. Sie konnte froh sein, dass sie die Trolle belauscht hatten, sonst hätte er längst an ihr Rache für alle verstümmelten Albae genommen.
Caphalor betrat die Höhle, in der Sinthoras bereits am Feuer saß. Es war seine freundliche Art, ihm klarzumachen, dass er keinen Wachdienst mehr zu versehen hatte. Caphalor blieb am Eingang stehen, lehnte sich gegen den Felsen und behielt die Umgebung im Auge.
Raleeha näherte sich ihm und brachte ihm seinen Trinkbeutel, den er vorhin hatte liegen lassen. »Ehrwürdiger, was hat sich zugetragen?«, fragte sie zurückhaltend.
»Wollte dir dein Gebieter nichts sagen?«
Sie schüttelte den Kopf.
Rasch fasste er zusammen, was sie mit den Trollen angerichtet hatten, wobei ihm einfiel, dass er vor lauter Überraschung über die Obboona seinen Trophäenknochen vergessen hatte.
»Fleischdiebin«, wiederholte Raleeha und schüttelte sich. »Das klingt unangenehm. Warum nennt man die Obboona so?«
»Sie haben nur ein Ziel: zu sein wie die Albae«, erklärte er nach einem langen Schluck aus dem Trinkschlauch. »Sie gehörten einst zu unseren Vasallen, beteten uns als Halbgötter an, verehrten die Unauslöschlichen als göttliche Wesen und verstümmelten sich, um ihren Wuchs dem unseren gleichzumachen. Ihr krankes Verlangen aber ließ sie Dinge tun,die ihnen die ewige Feindschaft der Albae einbrachten. Die Obboon schreckten nicht einmal davor zurück, Albae zu jagen und ihnen einzelne Körperteile oder gar Gliedmaßen abzuschneiden, um sie sich in widerwärtigen Versuchen selbst einzusetzen oder anzunähen.«
Die Sklavin schüttelte sich, ihr Mund stand offen. Sie sah entsetzt aus. »Bei Samusin!«
»Andere begnügten sich damit, solche Teile zu trocknen und sich damit zu umhüllen«, fuhr Caphalor fort. »Übergestülpte Ohren und Albae-Haare waren dabei noch das Harmloseste. Nach einem harten, kurzen Krieg, den die Unauslöschlichen gegen sie führten, haben sich die Obboon weit in den Norden zurückgezogen. Ich hätte nicht gedacht, auf eine von ihnen zu treffen.«
»Diese … Übertragung von Gliedmaßen und Organen«, fragte sie angewidert, »hat das jemals wirklich funktioniert?«
»Nein. Das macht ihr Verhalten noch verabscheuungswürdiger. Sie töteten ihre Halbgötter, obwohl sie genau
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