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Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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wusste, was sie in dem Viehzuchtbetrieb erwartete, wenn sie vom Fährtensucher eingefangen würde, und so war diese geringe Chance, die Freiheit zu erlangen, es auf jeden Fall wert. Sie würde leben wie die Vorfahren und versuchen zu lernen, wie es damals gewesen war.
    Doch sie ließ den Gedanken sofort wieder fallen. Kumali wusste nicht, wie man im Busch überlebte; sie wusste nicht, wie man jagte, kannte sich in ihrer Umgebung nicht genau aus, besaß weder Speer noch Messer. Sie hatte von den großen Städten gehört, die sich weiter im Süden und Osten ausbreiteten, hatte aber den Verdacht, dass das Leben dort genauso hart sein würde, denn auch sie waren von gubbas bevölkert. Dasselbe galt für die Küstenebenen, wo sie noch verletzlicher wäre, da die Stämme der Schwarzen dort traditionelle Feinde waren. Tief aufseufzend wrang sie ihr Kleid aus. Alles, was sie über das Leben wusste, hatte sie in einer Missionsstation und in einem Viehzuchtbetrieb gelernt – somit hatte sie wenig gute Aussichten.
    Ein Sonnenstrahl fiel auf das gegenüberliegende Ufer. Er bahnte einen Pfad durch die Bäume, als wolle er einen Weg weisen.
    Kumali starrte auf den goldenen Strahl und erkannte ein Zeichen darin. Sie streifte alle Bedenken ab und watete ins seichte Wasser. Wenn sie die Überquerung überlebte, dann würde sie den Spuren des Ochsenkarrens und der Frau folgen, die so tapfer gewesen war.
    Auf See vor Tahiti, Oktober 1849
    Hina Timanu stand an Deck des Walfängers Sprite und schaute in den schmutziggrauen Dunst am Horizont. Beinahe zwei Jahre hatte er seine Heimat nicht mehr gesehen, und obwohl sie noch einige Seemeilen von ihren Gestaden entfernt waren, glaubte er bereits den Duft von Kochstellen, Jasminbäumen und Hibiskus wahrzunehmen.
    Hina war achtundzwanzig, sehr sprachbegabt und ein erfahrener Walfänger. Er trug die übliche Leinenhose und das Sergehemd eines Matrosen, doch seine hohe, muskulöse Statur, die langen schwarzen Haare und die blauen Augen hoben ihn von den Europäern ab, mit denen er segelte. Im Lauf der Jahre hatte er sich daran gewöhnt, denn sein Volk hatte braune Augen und war von kleinem Wuchs – doch das Vermächtnis des weißen Urgroßvaters seiner Mutter lebte in ihm weiter. Er schämte sich keineswegs, sondern trug seine Andersartigkeit mit Stolz.
    Als der dunkle Fleck allmählich Gestalt annahm, verspürte Hina eine freudige Erwartung. Die Monate der Waljagd im Südpolarmeer waren in der Erinnerung verblasst. Die Hitze tanzte in Wellen über den fernen Vulkanen, und er fragte sich, ob die Sprite bereits gesichtet worden war – und ob Puaiti am Strand stehen würde, um ihn zu begrüßen. Ihr Name bedeutete »Kleine Blüte«,und ihre Schönheit stellte den Hibiskus in den Schatten. Sie war die jüngste Tochter eines Häuptlings, der im Gegenzug für die Hand seiner Tochter jedoch beträchtliche Forderungen erhob. Hina überkam die vertraute Woge gemischter Gefühle – die Hoffnung, dass sein Seemannslohn ausreichen würde, Zweifel daran und der Verdacht, dass ihr Vater eine neue Ausrede finden würde, um sie auseinanderzuhalten.
    »Du denkst wieder an die wahini . Das sehe ich dir immer an.« Bones hatte ihn angesprochen, ein Zwerg von einem Mann, dessen richtiger Name längst in Vergessenheit geraten war. »Ich werfe es dir nicht vor«, sagte er mit anzüglichem Augenzwinkern. »Ich kann es auch kaum erwarten, wieder eine Frau in den Armen zu halten.«
    Hina schritt mit bloßen Füßen fast geräuschlos über das Holzdeck, um den Befehlen Kapitän Jarvis’ zu folgen, was ihm eine Antwort ersparte. Bones war wie der Rest der Mannschaft darauf erpicht, mit den wahini zu schlafen und sich gedankenlos zu nehmen, was diese freimütig anboten. Nach den zahlreichen Jahren auf See konnte Hina sie ja verstehen, denn nur wenige andere Häfen boten eine so hübsche Unterhaltung. Doch Hina hatte die Krankheit gesehen, die diese kurzen Vergnügungen hinterließen, die Not, die sie verursachten. Obwohl die Kinder dieser flüchtigen Begegnungen als Segen betrachtet wurden, machten die Missionare deutlich, dass sie diese missbilligten, und hielten den Frauen bei jeder Gelegenheit eine Strafpredigt.
    Der dunkle Kegel des Vulkans erhob sich über dem üppigen Palmendach. Es reichte bis hinunter an den schwarzen Sand, der sanft zum türkisfarbenen Meer abfiel. Ganze Schwärme bunter Fische schossen davon, während Wasserschildkröten den Kopf kurz über die Oberfläche hielten, um den Eindringling zu

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