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Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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nicht fort«, sagte er. »Hier ist mein Zuhause, und sobald Großes Wasser seine Einwilligung erteilt, werden wir heiraten.«
    Der alten Frau stand der Zweifel ins Gesicht geschrieben. »Wir wollen hoffen, dass dein Wunsch in Erfüllung geht«, sagte sie leise. »Aber für Lianni und Jon war es eine Liebe, die nur so lange andauern sollte, bis sein Schiff wieder Segel setzte.« Sie atmete tief durch und trank noch einen Schluck Kokosmilch. »Am letzten Tag überreichte er Lianni ein Geschenk – ein sehr feines Geschenk –, das sie in Ehren zu halten versprach. Sie wusstenicht, wozu es gut sein sollte, doch nach der Beschreibung meines Vaters war es vermutlich eine Taschenuhr. Es war rund und aus Gold, und in die Mitte war ein feuriger weißer Stein eingelassen. An der Seite befand sich ein winziger Schnappverschluss, und wenn man auf den drückte, wurde der Schatz im Innern sichtbar.«
    Sie senkte die Stimme, und alle rückten näher. »Drinnen war eine weiße Scheibe mit goldenen Zahlen ringsum und zwei kleinen goldenen Händen. Aber das Beste waren die Bilder, die auf jede Seite gemalt waren, die von Jon und Lianni.« Sie lächelte, als hätte sie Erinnerungen an dieses außergewöhnliche Geschenk. »Er sah fein und stolz aus mit seinem kräftigen Gesicht und den blauen Augen, und der Künstler hatte sogar die roten Tränen eingefügt, damit man ihn nicht verwechseln konnte. Lianni war natürlich sehr schön – so schön wie alle Frauen meiner Familie.«
    Hina schmunzelte, als sie sich im Kreis umblickte und jeden Einzelnen herausforderte, ihr beizupflichten. »Du bist immer noch schön, Manutea.«
    »Meine Haare hatten nicht immer diese Farbe.« Ihr Blick verschleierte sich. »Ich weiß noch, als …«
    Hina wurde klar, dass sie von der Geschichte abweichen würde, wenn man ihr auch nur die kleinste Chance ließ, und beeilte sich, sie zu unterbrechen. »Er ist also wieder davongefahren, und Lianni hat die Uhr behalten. Was ist dann passiert?«
    »Sie hat viele Tränen vergossen, als er fort war, denn sie hatte ihm nicht erzählt, dass sie einen Sohn von ihm erwartete, doch nun hatte sie sein besonderes Geschenk, das sie dem Jungen weitergeben konnte, wenn er alt genug war, um dessen Bedeutung zu begreifen.«
    Sie hielt kurz inne und starrte in die Dunkelheit hinter dem Lagerfeuer. »Tahamma war ein starkes Kind mit den Augen seines Vaters und denselben roten Tränenmalen. Lianni war eine gute Mutter, und sie liebte Tahamma mehr als ihr Leben. Aber von einem der Matrosen war eine Krankheit nach Tahiti eingeschleppt worden, und unser Volk starb. Lianni war dem Tode nahe und bat ihre Tante, Tahani, den Jungen mit auf eine andere Insel zu nehmen, damit er nicht auch krank wurde. Tahani musste ihr versprechen, die Uhr für Tahamma aufzuheben und gut darauf aufzupassen. Sie sollte nicht mehr erfahren, dass Tahani ihr Leben dafür lassen würde.« Eine ungemütliche Stille legte sich über die Zuhörer, als in den Augen der alten Frau Tränen glitzerten und über ihre runzligen Wangen rannen. »Tahanis Mann Pruhana war ein schlechter Mann. Er war verbannt worden, weil er Tahani geschlagen und versucht hatte, ihr die Uhr zu stehlen; doch in der Nacht kam er zurück und brachte sie um. Tahani muss gewusst haben, dass er zurückkehren würde, denn sie hatte die Uhr ihren Brüdern zur Verwahrung gegeben, und Pruhana hat sie nie gefunden.«
    Sie wischte sich die Tränen ab und nahm eine bequemere Haltung auf ihrer Schilfmatte ein. »Tahamma erhielt die Uhr, als er Solanni heiratete, und als ein Schiff eintraf und sie die glitzernde Ware des Kaufmanns sah, tauschte Solanni sie gegen ein juwelenbesetztes Messer ein. Mein Vater wurde sehr wütend und verbannte sie für sechs Jahreszeiten. Sie hatte große Angst, denn sie musste allein leben und durfte nicht am gemeinsamen Feuer essen. Diese Monate waren sehr hart, denn sie hatte mich und meinen Bruder, und niemanden, der ihr half. Mein Vater, Tahamma, hat ihr am Ende verziehen, aber sein verlorenes Erbe hat er nie vergessen, und deshalb ist die Geschichte von Generation zu Generation tradiert worden. Ich glaube, er hat gehofft, das Schicksal würde die Uhr eines Tages an den Ort zurückbringen, an den sie gehört.«
    »Nach so vielen Jahren wird sie zerstört sein.«
    Die alte Frau schaute Hina an und schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie war sehr wertvoll, und solche Sachen verschwinden nicht für immer. Sie ist irgendwo, da draußen jenseits des Meeres, und wartet auf

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