Legenden der Traumzeit Roman
reden.«
Die vier Kinder schliefen in dem großen Bett. Es war Mittag, doch sie wurden von der Brise gekühlt, die zum Fenster hereinwehte, und durch ein Stück Musselin, den sie über ihnen an der Decke befestigt hatte, vor den allgegenwärtigen Fliegen geschützt. Sie würden mindestens eine Stunde schlafen und ihr Zeit geben, in Ruhe mit Fergal zu reden. Sie hatte Kumali bereits mit Duncan zum Pferch mit den Mutterschafen geschickt, Finn trenntedas Schlachtvieh von der Herde, und Tommy hatte den Wagen nach Nine Mile Creek gefahren, von wo aus ein weiteres Ochsengespann die Wolle nach Sydney bringen würde.
Ruby spürte ein beunruhigendes Flattern im Magen. Musste sie wirklich etwas über das Leben erfahren, das James geführt hatte, nachdem er fortgegangen war, und den Gründen für seine andauernde Abwesenheit nachgehen? Die Antwort lautete ja, doch sie hatte das ungute Gefühl, dass ihr nicht gefallen würde, was sie zu hören bekäme.
Fergal kam mit einer Kanne Tee und einem Stück Buschbrot aus der Küche im Freien. Zögernd näherte er sich der Veranda. »Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus«, sagte er und deutete auf das Brot, »aber ich hatte Hunger.«
»Ich missgönne niemandem eine Mahlzeit«, sagte sie lächelnd. »Wie sind die Stiefel?«
Er schaute auf das stabile Schuhwerk, das an manchen Stellen noch glänzte. »Meine Füße haben sich an weicheres, gesprungenes Leder gewöhnt, aber sie werden sich mit denen hier schon einrichten. Danke.«
»Kommen Sie, setzen Sie sich, und erzählen Sie mir von Ophir.«
Er beschrieb das prickelnde Gefühl, als sie ihre ersten Nuggets fanden, und die nachfolgende Suche, die sie immer tiefer ins unsichere Erdreich geführt hatte. Seine Schilderungen waren lebhaft, vorgetragen mit der angeborenen Gabe eines irischen Erzählers, und sie konnte sich das Barackenviertel, die bärtigen Goldsucher und die schrecklichen Unfälle, die ihnen häufig zustießen, bildhaft vorstellen.
»Aber wenn Sie Gold gefunden haben, warum sind Sie dann nicht nach Hause gekommen?«
»Es war nie genug«, murmelte er mit vollem Mund. »Wir mussten dreißig Schillinge im Monat für die Konzession bezahlen. Dann mussten wir Nahrungsmittel kaufen, Kleidung, undkaputte Werkzeuge ersetzen. Ein paar Stückchen Gold reichen nicht weit, wenn es durch drei geteilt wird.«
»Durch drei?«
Er nickte. »Wir haben uns einem Amerikaner angeschlossen, Repton heißt er, und eine Zeitlang hatten wir mehr Glück. Doch dann passierte der Unfall, und ich wusste, es war an der Zeit auszusteigen. Kein Gold der Welt kann ein Leben ersetzen.«
Ihr wurde kalt. »Was für ein Unfall?«
Seine Worte beschworen Bilder herauf, die ihr einen Schauer über den Rücken jagten, als er erklärte, was vorgefallen war.
»Gott sei Dank wurden Sie und James gerettet«, sagte sie atemlos.
»Gott hatte wenig damit zu tun«, erwiderte er verdrießlich. »Wären Hina Timanu und Howard Repton nicht gewesen, lägen wir noch immer da unten.« Eilig fügte er eine Erläuterung hinzu. »Hina kommt aus Tahiti und ist gebaut wie ein Ochse. Merkwürdiger Kerl, blaue Augen und Haare bis an die Taille, aber er hat eine beängstigende Kraft. Er hat uns, laut Howard, aus der Erde gezogen wie Korken aus der Flasche.«
»Anscheinend sind Sie nicht verletzt«, sagte sie und erfasste mit einem Blick seine drahtige Gestalt. »Ist James auch ohne Blessuren davongekommen?«
Er prustete. »Das kann man wohl sagen. Hatte jede Frau …« Er wurde rot und verstummte.
Rubys Wut flammte auf. »Sie haben Frauen in Ophir nicht erwähnt.«
Er zauderte sichtbar.
»Erzählen Sie schon, Fergal!«
Er kaute das letzte Stück Buschbrot und trank seinen Tee, als brauche er Zeit, um sich seine Antwort zu überlegen. »Wo Männer sind, gibt es immer Frauen«, sagte er leise, »eine bestimmte Sorte Frauen, wenn Sie wissen, was ich meine.« Sie nickte, und er fuhr fort: »Als James gerettet wurde, sind sie in Scharen zu ihmgeströmt und haben ihn zu ihrem Zelt gekarrt. Ich habe ihn stundenlang nicht gesehen, aber das war nicht ungewöhnlich. Sie kannten ihn gut, und er hatte die Angewohnheit, ihr … ihr Etablissement aufzusuchen.«
»Ich habe oft den Verdacht gehabt, dass er untreu ist«, murmelte sie. »So viele Wochen fort …« Sie löste sich von ihren Gedanken und schaute ihn direkt an. »Gibt es eine … eine besondere Frau für ihn?«
Er schüttelte den Kopf. »James hält viel davon, seine Gunst breit zu verteilen«, murmelte er
Weitere Kostenlose Bücher