Legenden der Traumzeit Roman
Erscheinung den Alabasterstatuen in den Fluren des Regierungsgebäudes Konkurrenz.
Rasch unterdrückte sie einen erstickten Klagelaut, sank ins Gras hinter dem Baumstamm und schaute ihm nach, wie er ans gegenüberliegende Ufer watete. Das Wasser rann über die schmale Taille bis zur Rundung des festen, runden Gesäßes und ließ das Haar auf seinen schön geformten Schenkeln dunkler erscheinen. Das Verlangen, ihn zu berühren, ihn zu riechen und seine Arme um sich zu spüren, war überwältigend.
Er nahm das Handtuch von einem Ast, zögerte und schaute über den schmalen Wasserlauf. Ruby wusste, er konnte sie unmöglich sehen, denn sie kauerte im Gras, verborgen hinter dem breiten Stamm eines Eukalyptusbaums, und doch schien sein Blick sie zu finden und sie endlose Sekunden dort festzuhalten, bevor er sich lächelnd abwandte.
Sie merkte, dass sie den Atem angehalten hatte, und stieß ihn mit einem Seufzer aus, während sie ihm zusah, wie er das Handtuch um seine Hüften schlang und zu seinem Zelt schlenderte. Er sang wieder, diesmal jedoch lauter, und es war ein irisches Lied über ein Mädchen, das am Fluss saß und auf seinen Liebhaber wartete.
Lawrence Creek, Hunter Valley, am nächsten Morgen
Jessie hatte nach ihrer Heimkehr erstaunlich gut geschlafen, und als sie den eingeborenen Kindern die Geschichte über Noah zu Ende erzählt hatte, freute sie sich auf das Mittagessen, das Hilda gerade kochte. Die Kinder hüpften schwatzend ins Sonnenlicht hinaus, und sie seufzte. Sie hörten gern Geschichten, doch es war offensichtlich, dass sie lieber draußen waren, und sie fragte sich, wie viel sie eigentlich verstanden.
Sie verstaute die grob geschnitzten Tiere in der Arche, die Peter gebaut hatte, um die Geschichte zu veranschaulichen, und stellte die Stühle wieder ordentlich im Kreis auf. Ihre Brüder waren am Morgen zurückgekommen, triumphierend über ihre Gewinne, aber mit Brummschädel. Anscheinend hatten sie ihren Streit mit Gerhardt vergessen, und nachdem sie ihr alles Gute gewünscht hatten, waren sie aufgebrochen, um ihren weiten Ritt in den Süden fortzusetzen.
Sie stand in der Kirchentür und beobachtete die Kinder, die im Hof Fangen spielten, was Erinnerungen an ähnliche Spiele mit ihren Brüdern in ihr weckte. Sie hatte keine Ahnung, wann sie die beiden wiedersehen würde, und sie hatte beim Abschied Tränen vergossen; und doch empfand sie auch eine gewisse Erleichterung, denn die Anwesenheit ihrer Brüder hätte möglicherweise Ärger bedeutet.
Jessie schloss die Tür und schlenderte zum Haus. Peter warkurz zuvor vom Gottesdienst im Freien zurückgekehrt und war in eine Unterhaltung mit Hilda vertieft. Sie konnte sich vorstellen, worüber sie sprachen, und ihr plötzliches Schweigen, als sie sich näherte, war der Beweis, dass sie richtig gelegen hatte.
Sie hatte über die Vorkommnisse der letzten Nacht nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass eigentlich, obwohl sie Gerhardts vehemente Weigerung, überhaupt jemanden zu heiraten, nicht begriff, niemand zu Schaden gekommen war – ausgenommen vielleicht Gerhardts Stolz – und es daher nicht nötig war, Aufhebens darum zu machen oder darüber zu sprechen.
»Hilda hat es Ihnen demnach erzählt?«, fragte sie Peter.
»Das tut mir leid, Jessie.« Peter schaute sie mitfühlend an; er wirkte unangenehm berührt.
»Mir nicht«, erwiderte sie, der Wahrheit entsprechend. »Wenigstens weiß ich jetzt, woran ich bin.«
»Aber es auf diese Weise herauszufinden …«
»Ich hätte nicht lauschen dürfen.« Sie lächelte Hilda zu, die ihre Lippen zusammenpresste und sich offenbar nicht wohlfühlte. »Ärgere dich nicht an meiner statt, Hilda. Ich liebe ihn nicht. Er hat mir nicht das Herz gebrochen.«
»Freut mich, das zu hören«, sagte sie, »aber er hätte dich nicht hinhalten dürfen.«
»Das wäre vielleicht klüger gewesen«, stimmte sie ihr zu, »aber auch mich trifft die Schuld, dass ich mich nicht ausgesprochen habe, also muss ich die Schande mit ihm teilen.«
»Du hast nichts gemacht, um ein schlechtes Gewissen zu haben«, blaffte Hilda, »und wenn ich ihm wieder begegne, werde ich ihm klipp und klar sagen, was ich von ihm halte.« Sie verschränkte die Arme unter dem ausladenden Busen.
»Bitte nicht!«, flehte Jessie sie an. »Die Wahrheit ist ans Tageslicht gekommen, und ich bin froh darüber. Sollte er noch einmal vorbeischauen, ist er uns herzlich willkommen. Darauf bestehe ich.«
Peter betrachtete sie nachdenklich. »Wir
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