Legenden der Traumzeit Roman
mein Bein müde wird, aber ich werde schon bald wieder herumspringen.«
»Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht, Ruby«, sagte Niall, befreite sich von den lärmenden Kindern und nahm ihre Hand. »Ich hoffe, es gefällt dir.«
Sie löcherte ihn mit Fragen, als er sie zum abgedeckten Rollwagen führte, doch er weigerte sich, sie aufzuklären. Voller Vorfreude beobachtete sie, wie die Plane entfernt wurde. Im ersten Augenblick konnte sie nicht erkennen, was es war; dann wurde ihr klar, was die Holzplatten, die Balken, Rahmen und Ziegel insgesamt ergaben. »Ein Haus.« Ihr blieb die Luft weg.
»Ja, stimmt«, sagte er lächelnd. »Ein richtiges Haus mit Fenstern, Türen und Böden, und es gibt Netze, um die Fliegen draußen zu halten, und ein paar anständige Stühle.« Er drückte sie fest an sich. »Finn hat mir erzählt, wie du wohnst, und ich wollte sicherstellen, dass mein Mädchen ein paar Bequemlichkeiten hat.«
»Es ist perfekt«, hauchte sie.
»Ich habe es in meiner neuen Fabrik herstellen lassen.«
Sie lachte. »Schon wieder ein neues Unternehmen?«
»O ja, meine Ruby. Ich werde mich noch nicht zur Ruhe setzen. Mit den Menschen, die noch weiter in den Busch vordringen, lässt sich gut Geld verdienen, und mein Ziel ist, sie mit einem anständigen Haus zu versorgen, das sie innerhalb von wenigen Tagen zusammensetzen können.«
Er warf einen Blick auf die Rindenhütte, Duncans Häuschen und die provisorische Baracke, die sich Finn, Fergal und Tommy teilten, wenn sie von ihren langen Arbeitseinsätzen auf den Weiden zurückkehrten. Scham überkam Ruby, denn sie sah in denUnterkünften plötzlich die Bruchbuden, die sie in Wirklichkeit waren.
»Mach dir nichts draus, Schätzchen!«, beschwichtigte Amy sie. »Wir werden das alles hier bald in Ordnung bringen, und wenn der andere Wagen eintrifft, wird es neue Behausungen für alle geben.«
Ruby brach in Tränen aus, überwältigt von der Großzügigkeit und Liebe ihrer Familie.
Fünfzehn
Eureka Gold Fields, Victoria, Oktober 1854
I n den vergangenen Monaten hatte sich die Stimmung unter den Goldsuchern verbessert. Hotham, der neue Gouverneur von Victoria, hatte ihnen einen Besuch abgestattet, und die Lage schien sich endlich zu entspannen. Die Konzession war noch immer fällig, konnte aber monatlich geleistet werden. Doch als die heißen Winde aus dem Norden heranwehten, wuchs der Groll gegen die Spione, die Polizei und die Kavalleristen, die weiterhin die Digger peinigten. Die unheilvolle Stimmung wurde noch gefährlicher, als Geschichten über kranke Männer die Runde machten, die im Gefängnis infolge von Vernachlässigung gestorben waren, und über den Aufmarsch neuer Truppen.
Das Militärlager befand sich auf einem Berg am Yarrowee River, hoch über den Goldminen Gravel Pits und Eureka. Für Hina und die anderen verkörperte das Militärlager alles, was mit Unterdrückung zu tun hatte, denn dort lebten Amtspersonen, deren Schwelgerei und ruchlose Verbindungen mit lokalen Geschäftsinteressen für alle offenkundig waren.
Der Mord an einem jungen Schotten namens James Scobie war schließlich der zündende Funke für dieses Pulverfass. Bentley, der Besitzer des Hotels Eureka , wurde des Mordes an Scobie angeklagt, doch es war allgemein bekannt, dass Bentley mächtige Freunde besaß, und dank ihrer Komplizenschaft wurde die Untersuchung rasch eingestellt.
Es war, als hätten die heißen Winde die Goldsucher mit Wahnsinn infiziert. Die irischen Katholiken gerieten in Wut, alsihr Priester und sein Diener vor Gericht gezerrt wurden und wegen einer fehlenden Lizenz, die keiner von beiden von Rechts wegen benötigte, verurteilt wurden. Auch die Amerikaner und Engländer lagen sich in den Haaren, vor allem wegen Übertretung der Schürfrechte – das Ausbeuten von Goldgruben, die anderen gehörten. Unterdessen schwelte unter Scobies Freunden der Zorn darüber, dass seine Ermordung ungesühnt blieb.
Hina war unruhig, als er sich an diesem Morgen anzog. Es war erst sechs Uhr, doch die Hitze war bereits so stark, dass vermutlich ein Gewitter im Anzug war. Er wurde das Gefühl nicht los, dass noch Schlimmeres in der Luft lag. Das Protokoll vom letzten Treffen der Goldgräber aus den Gruben der Umgebung war in der gesamten Stadt ausgehängt. Nur zwei Themen bedurften der Diskussion, doch das waren die wichtigsten: das Recht der Goldsucher, ungehindert graben zu können, sowie die Notwendigkeit, Bentley vor Gericht zu bringen. Obwohl die Arbeit für sie
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