Legenden der Traumzeit Roman
klar, dass die mittägliche Leidenschaft rasch erloschen war, denn nur die Hälfte der Männer blieb standfest.
Nachdenklich schweigend beobachtete er, wie der barhäuptige Lalor sich unter das wehende Banner kniete und die rechte Hand hob. »Wir schwören beim Kreuz des Südens, wahrhaft zueinander zu stehen und zu kämpfen, um unsere Rechte und Freiheiten zu verteidigen.«
Vielstimmiges, lautes »Amen« hallte in den Sonnenuntergang, und die entschlossenen, neu bewaffneten Männer marschierten stolz hinter ihrer Flagge zurück in ihr Bollwerk. Der Eid, den sie geleistet hatten, war der erste auf australischem Boden, der vor einer nicht-britischen Flagge geschworen wurde. Es war ein berauschender Moment.
Mit der untergehenden Sonne setzte der Regen ein, und Hina hockte unglücklich in seinem Ölzeug da, während das Wasser von seinem Hut tropfte. Die Stimmung hinter den Barrikaden war gereizt. Viele Männer waren gegangen und hatten ihre eigenen Zelte und Hütten aufgesucht, doch es war deutlich, dass das Militär sich auf einen Angriff vorbereitete, und jeder Mann hinter den schwachen Barrikaden wusste, dass sie leicht niederzureißen waren. Alle waren bereit, um ihre Würde und das Recht zu kämpfen, ungehindert zu arbeiten, doch als die Dunkelheit sie einhüllte, lag es auf der Hand, dass sie Zielscheiben abgaben. In der Nacht war an Schlaf kaum zu denken.
Eureka Gold Fields, Victoria, 2. Dezember 1854
Während die Tage ins Land zogen und der Regen die Erde in Schlamm verwandelte, wuchsen der Mut der Goldgräber und die Begeisterung für ihre Sache, weil es keine weiteren Überfälle durch die Staatsmacht gegeben hatte. Niemand war verhaftet worden, und Hotham schien endlich zur Vernunft gekommen zu sein.
Es war inzwischen Samstag, und Hina und die anderen hinter den Barrikaden hatten den militärischen Drill beendet, auf dem Lalor bestand. Sie bereiteten gerade eine Mahlzeit vor, als Pater Smyth die irischen Katholiken zu überreden versuchte, ihre Waffen niederzulegen. Hina hörte, wie der sanfte und hochverehrte Priester seine Herde anflehte, ihre Lage doch besser zu überdenken. Seine Bitten trafen jedoch nur auf taube Ohren, und er verließ die Barrikaden als geschlagener Mann.
Hina wurde ausgeschickt, um Vorräte zu requirieren, und er kehrte in demselben Augenblick zurück, als eine Horde von zweihundert Reitern eintraf. Es waren die Independent Californian Rangers, angeführt von James McGill, einem in ganz Victoria bekannten Mann. Hina betrachtete die Revolver und mexikanischen Messer, sah die überschwängliche Freude unter den Männern innerhalb der Barrikaden und Lalors freundliches Lächeln. Er schob sich vor und hörte, wie Lalor auf der Stelle McGill zum stellvertretenden Kommandeur ernannte. Die neue Parole »Vinegar Hill« wurde verbreitet.
»Die Parole ist dumm«, murmelte James. »Mein Schwiegervater, Niall Logan, hat in Vinegar Hill gekämpft, und die Iren, die sich noch an die Schlachten in Irland und in Parramatta erinnern, bringen damit nur eine Niederlage in Verbindung. Haben diese Idioten denn gar keine Ahnung?«
Hina wusste nicht, was James meinte. Doch allem Anschein nach hatten sie in McGill endlich einen Anführer mit militärischer Erfahrung. McGill organisierte rasch eine wirksame Bewachung, ermunterte die Digger, nicht aufzugeben, und erließ eine allgemeine Anordnung für die Nacht. Ein Späher hatte angekündigt, von Melbourne sei militärische Verstärkung unterwegs, woraufhin McGill und zwei Drittel seiner Männer planten, die Barrikaden von Eureka zu verlassen und den Soldaten den Weg abzuschneiden.
»Das kann nicht klug sein«, meinte Hina. »Rede weiß mit Sicherheit von den Amerikanern, und wenn man herausfindet, dass sie die Barrikaden verlassen haben, greifen sie bestimmt an.«
»Vielleicht halten McGill und Lalor es für unwahrscheinlich, dass es nachts Gefechte gibt«, nuschelte Howard mit Kautabak im Mund.
Der Neumond stand an einem klaren Himmel, als McGillund seine Männer aufbrachen. Lalor zog sich für die Nacht zurück, woraufhin sie seinem Beispiel folgten und die relative Bequemlichkeit ihres eigenen Zeltes aufsuchten, das ein Stück außerhalb der Barrikaden stand. Einhundertzwanzig Goldgräber blieben innerhalb der Barrikaden, nur mit Piken oder Pistolen bewaffnet, und es fehlte ihnen an Munition.
Eureka Gold Fields, Victoria, 3. Dezember 1854
Die Stille vor dem Morgengrauen wurde durch Gewehrfeuer zerfetzt – Schüsse in rascher
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