Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
Vom Netzwerk:
seinen Augen und lächelte. »Dann danke ich Ihnen, aber was soll ich zu Ihnen sagen? Vetter klingt ein bisschen formell.«
    »Freddy nennt mich meine Familie, daher sollten Sie es auch.«
    »Danke, Freddy, und du kannst Jessie zu mir sagen. Komm, wir machen eine Flasche von Abels Wein auf und trinken nicht nur auf meinen neu entdeckten Vetter, sondern auf die Zukunft unserer Familien.«
    Karlwekarlwe (Devil’s Marbles), Northern Territories, April 1857
    Die Eier der Regenbogenschlange leuchteten in heller Cremefarbe vor der verblüffend roten Erde. Sie lagen in wirren Haufen zwischen den Grasbüscheln und dürren Pflanzen, einige ruhten unsicher auf anderen, manche waren in zwei Hälften gespalten, andere wiederum vernarbt und modelliert von Sandstürmen, Wind und Regen.
    Kumali hatte ihre Freunde vom Volk der Alenjemtarpe an der Stelle verlassen, an der die Quelle aus dem Boden sprudelte, und war zuversichtlich nach Norden gegangen. Bis auf einen Haargürtel war sie nackt, und sie trug einen Bastbeutel, einen angespitzten Stock und ein mit Wasser gefülltes Emu-Ei bei sich. Ihr Glaube an die Geister war stärker geworden, nachdem sie bei den Alenjemtarpe gewesen war, und als sie sich dem heiligen Traumplatz näherte, glaubte sie, die Geister neben sich zu spüren.
    Sie hatte die Eier schon einen Tag vorher gesehen, bevor sie dort ankam, denn sie erhoben sich wie ein Signalfeuer aus dem flachen, leeren Land. Doch als sie das erste erreichte, das den Pfad ins Herz des Traums markierte, wurden ihre Schritte langsamer, und sie schauderte. Diese Eier hatten etwas Unheimliches an sich.
    Sie setzte sich und aß den Rest der Echse, die sie am Morgen gefangen und gekocht hatte, den Blick fest auf die schweigenden, majestätischen Eier gerichtet. Man hatte sie gewarnt, dass die Geister, die dort wohnten, nicht immer freundlich seien und schnell in Wut geraten würden; doch die Geister würden bestimmt verstehen, warum sie gekommen war, sie würden den Liedern lauschen und ihr die Kinder zurückgeben.
    Stille hüllte sie ein, während sie eine flache Vertiefung in den Boden grub und sich zum Schlafen niederlegte. Sie würde warten, bis jemand kam, der die Rituale kannte, mit denen man die Geister besänftigte, und ihr die Lieder vorsingen würde.
    Sie wartete viele Monde, lebte wie einst ihre Urahnen, ging auf die Jagd und suchte Wasser, verkroch sich vor der Hitze des Tages und der Kälte der Nacht in einem flachen Graben, doch mit jedem Morgengrauen nahm die Hoffnung ab, und am Ende musste sie sich damit abfinden, dass niemand hierherfand.
    Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, ließ die Asche ihrer Feuerstelle liegen und machte sich auf den Weg durch die Korridore aus hoch aufragenden Eiern zur Lichtung in der Mitte. Nervös lauschte sie auf das Flüstern, das aus den Höhlen und Spalten drang. Wahrscheinlich war es nur der Wind, doch sie vermutete, dass es Kwerreympe war, das Geistvolk aus der Traumzeit, das ihre Ankunft bemerkt hatte und darüber sprach, warum sie da war und was es tun solle, um den Eindringling zu bestrafen.
    Sie ließ den angespitzten Stock und den Bastbeutel fallen und kniete demütig nieder. Die Worte kamen ihr frei im Dialekt ihres Volkes über die Lippen: »Ich verehre dich, Großer Geist der Regenbogenschlange. Auch dich verehre ich, heilige Erde dieses Traumplatzes. Ich bin nur eine Frau, die euch um Vergebung bittet, weil ich euch Umstände mache, aber ich bitte dich, Großer Geist der Regenbogenschlange, mein bescheidenes Lied anzuhören.«
    Sie ließ den roten Sand durch die Finger rieseln. »Ich singe für dich, o heilige Erde, und bitte dich, meine Stimme in diesem heiligen Traumland der Frauen anzuhören. Und ich rufe dich, Kwerreympe , als eine Mutter, die ihre Kinder verloren hat. Schick sie wieder in meine Arme zurück!«
    Sie begann auf die Erde zu schlagen, in immer engeren Kreisen zu tanzen, bis sie so erschöpft war, dass sie wieder auf die Knie sank. »Ich flehe dich an«, klagte sie. »Bring mir meine Kleinen zurück!«
    Das Flüstern hatte aufgehört, und als der Mond aufging, wusste sie, dass sie aus den Spalten und Rissen beobachtet wurde. »Bitte!«, jammerte sie. »Gib mir meine Kinder zurück. Ich kennedie Lieder nicht. Ich kenne den Tanz nicht. Ich weiß nur, dass mein Herz gebrochen ist und ich nicht ohne meine Kinder leben kann.«
    Sie schlenderte durch das Labyrinth aus Eiern, ihre Bitten erhoben sich in die nächtliche Stille und gaben die Schreie der unzähligen Frauen

Weitere Kostenlose Bücher