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Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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wieder, denen man die Kinder entrissen hatte.
    Als die Sterne verblassten, wusste sie, dass ihre Bitten nicht beantwortet würden, denn die Ältesten hatten ihr die Lieder und Rituale nicht beigebracht, sie hatte die Traditionen dieses heiligen Traumplatzes der Frauen nicht gelernt, weil der weiße Mann es verboten hatte, und ihr Glaube war nicht stark genug gewesen.
    Die Sonne tauchte über dem Horizont auf, und sie fiel zu Boden, wissend, dass es die Stelle war, an der sie in einen endlosen Schlaf fallen würde, die Arme auf ewig leer. Die Lieder, um ihre Kinder zurückzuholen, waren vergessen. Niemand konnte sich mehr daran erinnern.

Neunzehn
    Kernow House, Watsons Bay, Mai 1856
    F rederick saß im Arbeitszimmer seines Vaters und prüfte die Geschäftsbücher. Die Unternehmen waren zahlreich und vielfältig, und er bewunderte Niall um seine Fähigkeit, so viele Informationen im Kopf zu behalten, denn er wusste, woher jeder Penny stammte, was man ihm schuldete und was ausgegeben worden war.
    Schließlich schob er sich vom Schreibtisch zurück. Der Kopf schwirrte ihm von endlosen Seiten mit Fakten und Zahlen. Verwundert stellte er fest, dass es beinahe dunkel war. Er zündete die Lampe an, lehnte sich auf dem Stuhl zurück und betrachtete das Zimmer. Von seinem Vater war nicht mehr viel da, denn Onkel Harry hatte es im Lauf der Jahre, in denen er die Verantwortung übernommen hatte, zu seinem eigenen gemacht, doch in den Kristallkaraffen und Gläsern sowie in den Büchern mit den teuren Einbänden war sein Andenken erhalten geblieben.
    Lächelnd dachte Frederick an den Tag, an dem Charlie und er hierher beordert worden waren, nachdem Gertrude sie mit den Pistolen erwischt hatte. Er konnte sich noch daran erinnern, dass sie ihre Tante beinahe umgerannt hatten, weil sie nicht schnell genug hinauskommen konnten. Die arme Gertrude! Sie war damals so eine sauertöpfische alte Jungfer gewesen, doch die Seereise hatte sie verändert; sprachlos hatte er ihr sanfteres Auftreten und die hübschen Gesichtszüge zur Kenntnis genommen, wenn sie lächelte. Ihre Heirat mit Lavinias verwitwetem Vetter hattedie Verwandlung abgerundet, und jetzt war sie die glückliche Mutter von zwei strammen kleinen Jungen.
    Er gähnte und reckte sich. Dieses Herumsitzen machte ihn träge, und er wünschte sich, es würde aufhören zu regnen, damit er hinausgehen und trainieren konnte. Er nahm die Lampe in die Hand, und die Erinnerungen an die Kindheit begleiteten ihn auch noch, als er die Diele durchquerte und die Treppe hinaufstieg.
    Ein Jammer, dass der Säbel und die Pistolen verkauft worden waren, denn er hätte sie jetzt gern gehabt. Die Sachen, die sein Onkel aus Georges Haus geholt hatte, waren jedoch ein kleiner Ausgleich für den Verlust gewesen, und er hatte sich mit Begeisterung in die Lektüre der Seetagebücher vertieft. »Da fällt mir ein …«, murmelte er vor sich hin, als er den Treppenabsatz erreichte.
    Er eilte an den Schlafzimmern vorbei, machte die Tür auf und stieg die Treppe in das alte Kinderzimmer auf dem Speicher hinauf. Es erschien ihm viel kleiner, aber schließlich war er um gut zwanzig Zentimeter gewachsen, seitdem er zuletzt hier war. Er stellte die Lampe ab und schaute sich um.
    Das Schaukelpferd sah antiquierter aus denn je, und überall standen überquellende Truhen und Kisten. Das Durcheinander rief die Erinnerung an seine einsame Kindheit wach und an die vielen Stunden, die er hier oben mit Stöbern verbracht hatte. Schließlich richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Holzverkleidung an der gegenüberliegenden Wand. War sein Geheimversteck noch da?
    Er suchte nach dem Scharnier in der Holzleiste und drückte darauf. »Aha!« Die Verkleidung schwang beiseite, und ohne auf seine gute Hose zu achten, kniete er sich auf den staubigen Boden und griff in den Kriechgang.
    Seine Schultern waren zu breit, doch seine Arme waren viel länger als früher, und seine Finger fanden schließlich die Zinndose, die er vor sechs Jahren dort versteckt hatte. Mit einem Triumphschrei zog er sie hinaus und trug sie ans Licht, um sie näher zu untersuchen.
    Sie war verstaubt und mit Tierkot bedeckt, ließ sich jedoch unter Quietschen öffnen. Vor ihm lag das Buch. Frederick hob es vorsichtig heraus und fuhr mit den Fingern über das verblasste Leder. Als Junge hatte er eine blühende Phantasie gehabt. Er vermutete schon lange, was es wirklich war, aber einen Moment lang wünschte er sich, es wäre tatsächlich ein Piratentagebuch

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