Legenden der Traumzeit Roman
Erkältungen und Masernauszurotten, nicht mehr. Tumbalong gehört dem Stamm der Wanaruah an, und es sind auch noch einige Kamilaroi dort, aber sie machen keinen Ärger.«
»Gehen ihre Kinder zur Schule?«
Abel verzog das Gesicht. »Die Regierung hält nichts davon, die Schwarzen zu bilden, doch Schulerziehung neben dem Eintrichtern der Bibel kann nicht schaden – besonders für Männer wie Tumbalong, der einen messerscharfen Verstand besitzt.«
»Warum nennen Sie ihn Tumbalong?«
»Das ist nicht sein richtiger Name«, sagte er und zwinkerte dem Mann zu, der neben dem Wagen ritt. »Sein Stammesname ist unaussprechlich, also habe ich ihn Jimmy genannt. Dann kam er vor zwei Jahren mit mir nach Sydney und hat sich in eine Gegend verliebt, die bei den ortsansässigen Eingeborenen Tumbalong heißt. Den Namen fand er besser als Jimmy, daher habe ich mich gefügt. Stimmt das nicht, Kumpel?«
»Ja, Boss. Tumbalong ist besser.« Er lächelte und entblößte dabei gelbe Zähne. Er spornte sein Pferd zum Galopp an.
Er ritt mit den Pferden voraus, um ein Lager aufzuschlagen. Jessie wandte sich wieder an Abel. »Sie haben einen interessanten Akzent, Mr. Cruickshank. Ich kann ihn keiner bestimmten Grafschaft zuordnen, und doch höre ich den städtischen Dialekt von London und den singenden Tonfall Irlands heraus.«
Ein langes Schweigen trat ein, und Jessie dachte schon, sie habe eine unpassende Bemerkung gemacht, als er ihr schließlich antwortete.
»Die ersten Sträflinge kamen zum größten Teil aus Londons East End. Dann folgten die Iren, die Schotten und Waliser, und um die damals Verantwortlichen zu verwirren, entwickelten sie eine ›verfälschte‹ Sprache, die nicht Eingeweihten unverständlich war.« Er tippte an seinen Hutrand und hielt den Blick auf den Weg vor ihnen gerichtet. »Ich schätze, meine Generation hat sie einfach übernommen.«
»Sie sind also hier geboren?«
»Ja. Und ich bin ein freier Mann – schon immer gewesen.«
Sie merkte, dass sie einen Nerv getroffen hatte, und obwohl sie den Verdacht hatte, dass er von Strafgefangenen abstammte, und am liebsten nach seiner Familiengeschichte gefragt hätte, hütete sie sich nachzubohren. »Haben Sie immer im Tal gelebt?«
Er hielt den Wagen an, als sie eine Lichtung erreichten, auf der Tumbalong eine Feuergrube aushob. »Ich bin in Sydney geboren, und wir haben außerhalb von Windsor gewohnt.« Er ließ die Zügel fallen, sprang ab und ging um den Wagen herum, um ihr herunterzuhelfen. Seine Augen waren von Lachfältchen umgeben, als er sie auf die Beine stellte. »Für so eine kleine Person verfügen Sie über eine ziemliche Neugier, Miss Searle. Aber ich glaube, das reicht für heute, sonst haben wir morgen nichts mehr, worüber wir reden könnten, und ich weiß ja, wie sehr Sie langes Schweigen verabscheuen.«
Jessies Gesicht brannte, als sie in die lachenden grauen Augen schaute. Rasch wandte sie sich ab, um den Staub abzuklopfen und ihre Haube zu richten. Mr. Cruickshank konnte ein amüsanter Begleiter sein, und er war in seiner ungeschliffenen Art ein faszinierender, ziemlich gut aussehender Mann, doch er hatte die ärgerliche Gabe, ihr das Gefühl zu vermitteln, ein törichtes Wesen zu sein. Da sie diese Empfindung nicht gewohnt war, fand sie es höchst beunruhigend.
Kernow House, Watsons Bay, Oktober 1849
»Oliver will mir heute Morgen sein neuestes Unternehmen zeigen«, sagte Harry, während er sich fertig anzog.
Lavinia betrachtete ihr Spiegelbild, zupfte an einer Locke und drehte sich zu ihm um. »Ich bin beeindruckt, wie viele Eisen dein Bruder im Feuer hat. Mit der Walfangflotte, der Kupfermine inBurra und seinen Beteiligungen an Importen und Exporten sollte man meinen, er sei hinlänglich beschäftigt.«
Harry lächelte und strich seinen Schnurrbart glatt. »Er hat schon immer ein Auge für gewinnbringende Geschäfte gehabt. Ich weiß noch, als wir klein waren und zum ersten Mal Treleaven House besuchten. Ich sah einen Berg Trümmer und ein Joch, das mir für den Rest des Lebens den Hals einschnüren würde. Oliver hat darüber hinaus das gesehen, was es einst war und wieder sein könnte. In seinen Händen wäre das Anwesen aufgeblüht. Anscheinend habe ich nicht das Händchen dafür, Lavinia.«
Sie fuhr über seine Jackettaufschläge und lächelte zu ihm auf. »Du hast Erfolg gehabt, wo viele versagt hätten«, besänftigte sie ihn. »Die Höfe auf dem Anwesen sind ertragreich, das Haus steht fast wieder in seiner früheren
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