Legenden der Traumzeit Roman
in den Kohlengruben von Newcastle, um genug für einen Neuanfang zu verdienen.«
»Kohlengruben? Ich wusste gar nicht, dass hier draußen Kohle gefunden wird.«
»Anscheinend wissen Sie für eine Lehrerin nicht viel, Miss Searle.« Er steckte seine Pfeife in die Tasche; wieder zuckten seine Lippen amüsiert. »Kohle wurde schon damals, ganz zu Anfang der Besiedelung, gefunden, und in Newcastle wurde so um 1804 herum eine Strafkolonie errichtet, um sie abzubauen. Der Hafen ist heute einer der betriebsamsten in New South Wales«, fügte er stolz hinzu.
»Vielen Dank, Mr. Cruickshank, für Ihre Lektion in Heimatkunde. Ich werde mir zur Aufgabe machen, es nicht zu vergessen.« Er beäugte sie misstrauisch, doch sie hielt den Blick abgewandt. Was er konnte, konnte sie schon lange, und die Reise würde bestimmt unterhaltsamer werden. »Wenn Kohlenabbau eine gute Einkommensquelle ist, warum entscheidet man sich dann, Wein zu kultivieren?«
»Wenn Sie je in einer Kohlengrube gearbeitet hätten, würden Sie so eine Frage nicht stellen«, knurrte er.
»Kupfer- und Zinnminen sind mir bekannt«, entgegnete sie. »Meine Brüder und ich stammen aus Cornwall.«
»Na also.«
Darauf gab es nichts zu sagen, und Jessie schnitt ein anderes Thema an, das sie beschäftigte, seitdem sie England verlassen hatte. »Wie ist Mr. Lawrence denn so?«
»Er ist ein aufgeblasener Wicht mit Monokel und einem bürstenähnlichen Schnurrbart. Selbst an den heißesten Tagen trägt er einen schwarzen Anzug und hat andauernd eine Bibel dabei.« Abel schoss ihr einen amüsierten Blick zu. »Was er mit Ihnen anfangen wird, weiß ich nicht.«
Jessie fuhr hoch. »Was soll das heißen?«
Er hob die Schultern. »Ich glaube, er hat eher mit einer Matrone gerechnet, die ihm helfen soll, seine Schule zu führen.« Sein Blick wanderte von ihrer Haube bis zu ihren staubigen Stiefelspitzen. »Sie sind ein bisschen jung und unerfahren und werden das Tal in Aufruhr bringen – womit Sie sich bei Mr. Lawrence nicht gerade beliebt machen werden, denn er ist ein eifriger Verfechter des Anstands.«
»Die Kirchenbehörde hat mich eingestellt in Kenntnis meines Alters und der Sachlage«, entgegnete sie. »Mr. Lawrence sollte dankbar sein, dass überhaupt jemand den weiten Weg hierher zurücklegt, um an seiner Schule zu unterrichten.« Sie holte tief Luft. »Und wenn es um anständiges Betragen geht, dann bezweifle ich, dass Mr. Lawrence mir in dieser Hinsicht etwas vorwerfen könnte.«
»Sich mir gegenüber aufs hohe Ross zu setzen führt zu nichts, Miss Searle«, sagte er schleppend. »Ich habe nur versucht, Sie aufzuklären.«
Jessies böse Ahnungen kamen in vierfacher Stärke wieder auf. »Wie einsam ist denn diese Schule?«
»Sie liegt am nördlichen Rand des unteren Hunter River«, erwiderte er. »Das Missionsgebäude und die Schule haben einen guten Platz, obwohl keine Stadt in der Nähe ist. Da immer mehr Siedler ins Tal kommen, ist die Schule zu einem wichtigen Ort geworden.«
»Ich vermute, Mrs. Lawrence wird mir im Klassenraum beistehen?«
Abel zog die Stirn kraus. »Mr. Lawrence ist alleinstehend.« Er lächelte über ihre besorgte Miene. »Haben Sie keine Angst – die Jungfern im Tal haben sich die größte Mühe gegeben, diesen Umstand zu ändern, bislang aber ohne Erfolg. Wir alle gehen davon aus, dass er keinen von uns besonders mag, vor allem die Frauen nicht. Er mag zwar die Kleidung eines Pfarrers tragen und jeden Sonntag von der Kanzel predigen, aber seine Liebe zur Kirche schließt seine Gemeindemitglieder nicht ein.«
Diese Neuigkeiten waren kein Trost, und Jessie hatte den Verdacht, ihr Arbeitgeber erwartete vielleicht von ihr, dass sie neben der Schule auch sein Haus in Ordnung hielt. »Beschäftigt Mr. Lawrence eine Haushälterin?«
Er zwinkerte ihr zu. »Es hieß, dass er eine Witwe aus dem Ort einstellen will, doch sie hatte noch nicht angefangen, als ich Sie abholte.«
»Man hat mir zu verstehen gegeben, ich hätte meine eigene Unterkunft«, sagte sie nervös.
»Ja. Auf der Rückseite der Schule gibt es ein Zimmer. Ich habe es vor ein paar Wochen mit meinen Kumpels zusammen fertiggestellt.« Sein Lächeln wurde breiter. »Wir haben der Tür ein stabiles Schloss verpasst.«
Jessies Erleichterung war gedämpft, wusste sie doch, dass er sie wieder hänselte. Dann kam ihr ein anderer Gedanke, als sie einen Blick auf Tumbalong warf. »Gibt es viele Eingeborene in der Gegend?«
»Seit wir es geschafft haben, sie mit
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