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Legenden der Traumzeit Roman

Legenden der Traumzeit Roman

Titel: Legenden der Traumzeit Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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dem Umhängetuch deiner Großmutter wirst du bildhübsch aussehen.«
    »Und was ist mit dir? Brauchst du die Brosche denn nicht?«
    »Ich habe eine schöne Kette aus Gagatperlen mit dazu passenden Ohrringen. Das reicht für eine alte Schachtel wie mich.« Sie stieß Jessie an. »Kein Mr. Abel Cruickshank oder seinesgleichen würden mir schöne Augen machen, mein Mädchen – die Zeit ist längst vorbei.«
    Jessie wurde rot und senkte den Kopf. Seit ihrer Ankunft hatte Mr. Cruickshank sich nicht blicken lassen, und sie kam nicht umhin, sich zu fragen, ob sie ihn wohl am Abend treffen würde.
    Mr. Lawrence hielt sie den ganzen Nachmittag auf Trab. Hilda wurde aufgetragen, seinen schwarzen Anzug zu bügeln und auszubürsten sowie seinen Zylinder und seine Schuhe zu polieren. Jessie wurde mit Armen voller Sachen hin und her geschickt, die in die Kutsche zu laden waren. Eine Unterbrechung war nur das gemeinsame späte Mittagessen mit ihm.
    Jessie fieberte vor Ungeduld, während die Uhr tickte und er langsam den kalten Imbiss und zahlreiche Tassen Tee zu sich nahm. Kaum konnte sie ihre Ungeduld zügeln, und sie schielte auf die Uhr. Ihr wurde klar, dass sie bis zum Aufbruch nur noch knapp eine Stunde hatten, und sie verzweifelte, als er bedächtig ein Stück Käse abschnitt und zu kauen begann. »Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen«, sagte sie, denn sie konnte nicht länger still sitzen. »Ich habe noch so viel zu tun.«
    Er beäugte sie durch sein Monokel. »Da dies Ihre erste echte Einführung in die hiesige Gesellschaft sein wird, hoffe ich, dass Sie sich entsprechend ernsthaft verhalten«, sagte er, den Mund voll Käse. »Sie werden Mrs. Blake begleiten und ihr mit demEssen helfen, und wenn Ihre Pflichten erfüllt sind, werden Sie für den Rest des Abends an meiner Seite bleiben.«
    Sie hielt seinem Blick stand, war sich aber bewusst, dass ihr Herz pochte und ihr Gesicht rot anlief. Er wollte damit doch wohl nicht sagen, dass sie nicht teilnehmen durfte?
    Er zog seine Taschenuhr hervor, verglich die Zeit mit der der Zimmeruhr und klappte sie wieder zu. »Wir werden in genau fünfundvierzig Minuten aufbrechen. Sie dürfen gehen.«
    Als Jessie vierzig Minuten später aus ihrem Zimmer trat, wusste sie, dass sie gut aussah. Rock und Bluse hatte sie zugunsten ihres besten Kleides verworfen. Der mit einem Blattmuster versehene Baumwollstoff bauschte sich unterhalb der Taille zum Rock auf, der Ausschnitt bedeckte ihre Schultern, um das Muttermal zu verbergen, das Dekolletee war durch einen Spitzenbesatz, an den sie Hildas Brosche gesteckt hatte, weniger waghalsig. Sie hatte ihre Haare vom Mittelscheitel aus gebürstet und in zwei schwere Zöpfe geflochten, die sie über den Ohren zusammengerollt und mit blauen und gelben Bändern versehen hatte. Mit dem schönen Umhängetuch um ihre Schultern kam sie sich wie eine Prinzessin vor – auch wenn ihre Stiefel abgenutzt waren, sie keinen anderen Schmuck hatte und das verhasste Korsett kniff.  
    »Gute Güte, siehst du phantastisch aus!« Hilda schaute in schwarzem Bombarsin prachtvoll aus, ihre Gagatohrringe und die Kette glitzerten in der späten Nachmittagssonne.
    Mr. Lawrence riss die Augen auf, als Jessie in die Kutsche stieg. »Bedecken Sie sich!«, zischte er, den flackernden Blick auf ihre Schultern gerichtet. »Wenn wir nicht schon spät dran wären, würde ich Sie auffordern, sich umzuziehen. Das ist ein höchst unpassender Aufzug für eine Lehrerin.«
    Jessie zog das Umhängetuch fester um sich, ihre Wangen wurden rot, der freudige Augenblick war durch seine Kritik getrübt.
    »Ich finde, sie sieht wunderbar aus«, fuhr Hilda ihn an.
    Er klatschte mit den Zügeln auf die Kruppe des Pferdes und gab durch seine Haltung zu verstehen, dass sie ihm beide missfielen.
    Jessie vergaß seine Missbilligung schon bald, als sich die Landschaft vor ihnen öffnete. Dieser Teil des Tals war ihr neu, und es war interessant, die feinen Unterschiede zu beobachten. Manche Häuser waren sehr prächtig; sie hatten rote Ziegeldächer und weiß getünchte Mauern. Andere hingegen glichen eher Rindenhütten; sie lagen verstreut zwischen den Rebstöcken, die teilweise auf Terrassen der umliegenden Berge angepflanzt waren. Während sie die Szenerie in sich aufnahm, fragte sie sich, wo Abel Cruickshank wohnte und ob er sich noch an sie erinnerte.
    Die Geräusche des Fests drangen an ihre Ohren, während sie auf ein besonders prächtiges Gebäude zusteuerten und über die lange, von

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