Legionare
zerschnitt schon ihre Fesseln und schirmte sie mit seinem gepanzerten Leib gegen Pfeile ab. Ein anderer Ork befreite Sevren. Währenddessen rief Dar auf Orkisch Befehle. »Haltet das Tor offen! Gebt den Gefährten Zeichen! Tötet die Washavoki-Söldner!«
Der letzte Befehl war kaum noch erforderlich, denn die Orks gingen schon mit ungehemmter Wildheit zum Gegenangriff über. Als Dar das Torgebäude betrat, häuften sich dort die Leichen der Wachmannschaft. Zwei Orks erklommen die Wehrgänge der Ringmauer. Gleich darauf hagelte es keine Pfeile mehr, sondern Bogenschützen. Dar sah, dass inzwischen das Gros der Orks das Feldlager verließ und zur Stadt gerannt kam.
Der König hatte die Königliche Garde im Palast belassen und seine besten Regimenter zum Pass entsandt. Infolgedessen
war das erste Gefecht schon vorüber, als die Orks in die Stadt stürmten. Sobald alle zur Stelle waren, befahl Dar, das Stadttor zu schließen, um König Kregants Heer auszusperren.
Sie erteile weitere Anweisungen, und nachdem das Torgebäude von einer neuen Wachmannschaft besetzt war, marschierten die Orks geschlossen zum Palast. Sie durchquerten die Stadt, ohne den erschrockenen Bewohnern ein Leid anzutun. Sevren, der mit ihnen zog, musste anerkennen, dass ihr Betragen sich wohltuend von dem der Soldateska des Königs in eroberten Städten unterschied. Ich habe mich für die richtige Partei entschieden, dachte er.
Das Palasttor war zwar geschlossen, doch verteidigt wurde es nur von einigen Bogenschützen. Auch sie setzten sich bald ab. Die Orks holten aus einem Haus einen Eichenbalken, der als Rammbock diente. Wenig später lag das Tor in Trümmern, und sie drangen in den Palasthof ein. Dort war es gespenstisch still. Dar wandte sich um eine Erklärung an Sevren. »Wo steckt die Garde?«
»Bestimmt hat sie sich in die Burg zurückgezogen. Das ist eine uralte Festungsanlage, der älteste Teil des Palastes. Dort dürfte der König Zuflucht genommen haben, denn die Burg kann rundum verbarrikadiert und leicht verteidigt werden.«
»Also will er die Gefahr einfach aussitzen.«
»Ja, und das gemeine Volk kann sehen, wie es zurechtkommt, bis das Heer die Stadt zurückerobert.«
»So bringt uns das Ganze keinen Nutzen«, sagte Dar. Sie befürchtete, dass die Schlacht, die sie hatte vermeiden wollen, bloß aufgeschoben wurde. »Wird er verhandeln?«
»Nein. Er steht unter dem Einfluss Othars, und der sieht lieber Blutvergießen.«
Dar erinnerte sich an Velasa-pahs Warnung vor dem Zauberer. Er ist in weit stärkerem Maße mein Feind als der König. Sie
verstand bis jetzt nicht, wieso Knochen eine größere Bedrohung für sie darstellen sollten als der Herrscher eines Reiches, aber der Gedanke daran verhalf ihr zu einem Einfall. »Der Turm des Zauberers steht nicht in der Burg?«
»Nein, er ist Bestandteil des neuen Palastes. Warum?«
»Dann kann ich vielleicht den Zauberer zum Verhandeln zwingen.«
»Niemand kann ihn zu etwas zwingen, nicht einmal der König. Wie willst du so etwas schaffen?«
»Gehen wir hin und machen uns klüger.«
Zusammen mit Zna-yat, Kovok-mah und einem dritten Ork eilte Dar in den Palast. Sevren begleitete sie, obwohl er keine Ahnung hatte, was ihr durch den Kopf ging.
Zuerst gelangten sie in die Küche. Dar schaute umher. Das Küchengesinde war samt und sonders geflohen. Auf den Tischen lagen Massen von Nahrungsmitteln; an umgekippten Spießen verkohlte Fleisch; der Inhalt vieler Töpfe war übergekocht. Dar strebte in den für Bedienstete bestimmten Verbindungsgang, der zu den übrigen Palasträumlichkeiten führte.
Nach langem Treppensteigen standen sie in dem düsteren Flur, der in den Turm des Zauberers führte. »Kannst du mir erklären«, fragte Sevren, »was wir hier suchen?«
»Möglicherweise hat Othar irgendetwas zurückgelassen, das große Bedeutung für ihn hat.«
»Wenn es für ihn wichtig ist, wieso sollte er es zurückgelassen haben?«
»Es kann auch sein, dass wir gar nichts Derartiges entdecken«, gab Dar zu. »Aber ich hoffe, dass sich hier etwas befindet, das er in Sicherheit wähnt. Denn wer wagt sich schon über seine Schwelle?«
Ich nicht, dachte Sevren. Dennoch folgte er Dar in den Turm. Während er die Wendeltreppe hochstieg, sah er seine
Bedenken gut begründet, denn noch nie hatte er eine grässlichere Stätte betreten. Der Kühle und Dunkelheit im Turm haftete etwas abscheulich Widernatürliches an, das ihm eine Gänsehaut verursachte. Sogar die Orks wirkten leicht
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