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Legionare

Legionare

Titel: Legionare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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stumm da. Das Murmeln wurde lauter. Plötzlich begriff Dar, dass keine Töne in ihrem Kopf hallten, sondern Erinnerungen. Dann herrschte wieder Abendstille. Dar fühlte sich anders. Sie wusste, sie hatte sich verändert. Die Welt war dieselbe geblieben, doch sie sah sie nun durch Augen, die zwar uralt waren, ihr jedoch etwas völlig Neues zeigten. Die auf sie übertragene Gabe war größer als Klugheit oder Macht. Es war Liebe. Dar ließ den Blick über die Orks ringsum schweifen und erkannte in ihnen ihre Kinder. Sie liebte sie wie eine Mutter. Und wie eine Großmutter.
    Die alte Königin nahm ihre Krone vom Kopf und setzte sie Dar auf. »Meine Zeit ist abgelaufen«, sagte sie und sank zu Boden.
    Sofort standen sämtliche Orks auf und vollführten vor Dar eine tiefe Verbeugung. »Tava, Muth Mauk«, riefen sie. Dann löste sich die Versammlung ohne weitere Umstände auf, und die Orks gingen zu ihren Strohzelten. Nur Sevren und die Frauen blieben ratlos stehen, bis Kovok-mah sie mit gedämpften Worten aufklärte. Danach gingen auch sie.

    Dar beachtete nichts davon. Ihre einzige Sorge galt der ehemaligen Königin.
    »Tante, wir bringen dich zu einem Heiler. Du wirst wieder gesund.«
    »Eine Tote kann nicht gesund werden.«
    »Bitte, sag nicht so etwas. Du lebst.«
    »Mit dem Fathma ist mein Geist von mir gewichen. Geist ist Leben. Es kann nur eine Muth Mauk geben.«
    »Kann mir jemand sagen …« Dar verstummte und blickte umher. »Wo sind denn alle hin?«
    »Sie sind fort, weil es unnatürlich ist, mit Toten zu sprechen. «
    »Du bist nicht tot. Und ich lasse dich nicht im Stich.«
    »Thwa, Muth Mauk, ich verlasse dich.« Die alte Königin hielt Wort. Sie starb kurz vor Mitternacht. Dar weckte mehrere Orks und wies sie an, einen Scheiterhaufen zu errichten. Danach zog sie sich in ihr Strohzelt zurück. Schon spürte sie die Einsamkeit der unumschränkten Herrscherin. Das Überleben ihres gesamten Gefolges hing von ihrem Urteil ab. Sie hatte die Bürde zwar nicht gewollt, konnte sie aber nicht abgeben. Sie war mit Fathma gesegnet und kannte ihre Pflichten. Dennoch widerstrebte es ihr, ihre Kinder ins Gefecht zu schicken. Eins wusste sie: Selbst wenn sie siegten, würden viele sterben. Zudem hatte sie nun den Eindruck, dass ein Kampf das falsche Vorgehen war. Aber wie sollen wir sonst nach Hause kommen? Kampf schien der einzige Ausweg zu sein.
    Schließlich beschloss Dar, sich nochmals mit Sevren zu besprechen. Er hat für den König gekämpft. Er kann mich beraten. Sie fand ihn in seinen Umhang gewickelt; er schlief vor der Glutasche eines Kochfeuers. Dar rüttelte ihn wach. Er blinzelte und rieb sich die Augen.

    »Was gibt es, Majestät?«, fragte er ohne jeden Funken von Ironie.
    »Du weißt also, dass ich jetzt Königin bin.«
    »Ja, der grünäugige Kobold hat es uns erzählt. Meinen Glückwunsch.«
    »Ich habe es nicht gewollt. Es war eine absolute Überraschung. « Schwer seufzte Dar. »Ich muss wissen, wie ich erfolgreich gegen den König kämpfen kann.«
    »Das ist eine schwierige Frage. Überzahl und Gelände begünstigen die königlichen Streitkräfte. Orks bewähren sich am besten im offenen Kampf, da sind sie dank ihrer Stärke im Vorteil.«
    »Also, wie soll ich die Sache anpacken?«
    »Ohne Rücksicht auf Verluste durch den Pass stoßen.«
    »Und warum hältst du das für das Beste?«
    »Deine Krieger sind Orks. Ihre Stärke wird siegen.«
    »Und was sind die Vorzüge der königlichen Söldner?«, fragte Dar.
    »Sie werden mit aller Gerissenheit kämpfen, das Gelände für Angriffe und Ausweichmanöver nutzen, den Entscheidungskampf meiden. Kannst du sie nicht bezwingen, schlagen sie immer wieder zu.«
    »Dann soll ich unverzüglich die Entscheidung suchen?«
    »Jawohl.«
    »Darin sehe ich keinen Sinn«, sagte Dar. »Du bist nur ein Gardist, aber du verstehst etwas von der Kriegskunst. Weshalb sollten die Generale des Königs weniger wissen? Wenn wir tun, was sie erwarten, sind wir verloren.«
    »Du kannst das Wesen eines Orks nicht ändern.«
    In tiefer Nachdenklichkeit blickte Dar zum sternenübersäten Nachthimmel empor. Eine längere Weile verstrich, bevor sie Sevren antwortete. »Du hast recht, Sevren. Man kann das
Wesen eines Orks nicht ändern.« Sie lächelte zum ersten Mal seit ihrer Krönung. »Aber der Charakter ihrer Königin hat sich gewandelt.«
     
    Dar schlief und erwachte wie durch höhere Gnade voller frischer Kraft. Als sie ihr Strohzelt verließ, wusste sie, dass wahrscheinlich der

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