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Legionare

Legionare

Titel: Legionare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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zweigten wiederum kleinere Kammern ab. Kovok-mah erläuterte, dass Zimmer mit Herd ein »Hanmuthi« – Mutterfeuer – waren. Sie bildeten den Angelpunkt des Alltagsdaseins einer Familie. Die Nebenräume dienten vorwiegend zum Schlafen. Im Obergeschoss fanden sie ein besonders großes Hanmuthi. Der Fußboden war größtenteils frei von Schutt und Trümmern, und eine Anzahl hoher Fenster ließ ausreichend Licht und Luft herein. Über dem Herd hatte die Decke ein Loch, das von den metallenen Überresten eines Rauchfangs umgeben war.
    »Hier ist ein guter Ort zum Ausruhen«, sagte Dar, die inzwischen daran gewöhnt war, Entscheidungen zu treffen.
    Unter gewöhnlichen Umständen schlugen die Orks einen Lagerplatz auf, indem sie zuerst den heiligen Kreis anlegten – Muth’las Umarmung. Diesmal verhielten sie sich anders. Duth-tok und Lama-tok gingen in ein kleines Nebenzimmer, Varz-hak und Zna-yat verschwanden in einer ähnlichen Kammer und ließen Dar mit Kovok-mah im Hanmuthi stehen.
    »Müssen wir keinen Kreis ziehen?«, fragte Dar.
    »Hanmuthi-Wände sind Muth’las Umarmung«, sagte Kovok-mah.
    »Also können wir hier überall schlafen?«
    »Hai. Überall im Heiligen Kreis.«
    Dar schaute sich die leeren Nebenzimmer an, aber es widerstrebte ihr, sich in so eine Kammer zurückzuziehen.
    »Ich bin es nicht gewohnt, allein zu schlafen«, bekannte sie.
    »Wir sind auf einer fürchterlichen Reise«, äußerte Kovok-mah. »Deine Nähe ist mir Trost.«
    »Dann lass uns zusammen zur Ruhe gehen.«
    Ein Nebenraum, in den durch Fenster Helligkeit einfiel, erregte Dars Aufmerksamkeit. Sie ging hinein, und Kovok-mah folgte ihr. Ein Relief, das Kinder zeigte, die unbekleidet über eine blumige Wiese liefen, zierte die Wände. Jemand hatte ihre Gesichter unkenntlich gemacht und nur flache Krater im Kalkstein übrig gelassen. Doch selbst in diesem zerschrammten Zustand war das Relief noch ein wundervolles Kunstwerk. Die Blumen waren bis in die feinsten Einzelheiten dargestellt, und die Kinder wirkten froh und lebendig. Als Urkzimmuthi erkannte man sie lediglich an den Klauen ihrer Finger und Zehen.
    Unter dem Relief bemerkte Dar eine Aufreihung sonderbarer Zeichen. »Was ist denn das?«, fragte sie.
    »Worte«, gab Kovok-mah ihr Auskunft und strich mit dem Finger darüber, während er las.

    »Lachen hat nicht Widerhall
aufweichen Frühlingsweiden.
Stets kehren Blumen wieder.
Kinder sind einmal nur Gast.«
    Dar hatte vom Lesen schon gehört, aber noch nie erlebt, dass jemand es tat. Sie wusste nicht genau, was sie mehr erstaunte – dass Kovok-mah diese Zeilen gelesen hatte oder dass sie ihn so tief rührten. Sein Blick spiegelte Trauer wider, als seine Finger über die sorgsam herausgearbeiteten Umrisse der Schrift strichen.
    »Ich glaube, die Urkzimmuthi sind wie diese Kinder«, sagte er. »Wenn wir dahingegangen sind, erinnert sich niemand mehr an unsere Gesichter.«
    »Warum sprichst du vom Dahingehen?«, fragte Dar.
    »Die verlassene Stadt beweist, wie sehr wir geschrumpft sind. Wenn es uns nicht mehr gibt, wer denkt dann noch an uns? Für die Washavoki sind wir bloß Ungeheuer.«
    Dar dachte an Leela, die sich lieber das Leben genommen hatte, als zu den Orks zu gehen, und schuldbewusst erinnerte sie sich an die grässliche Geschichte, die sie Theena erzählt hatte. Kovok-mah so traurig zu sehen, erweckte in ihr das Bedürfnis, seinen Kummer zu lindern.
    »Thwa, thwa«, sagte sie halblaut. »Du bist lieb und gut. Ich bin zwar eine Washavoki, aber ich …«
    »Thwa, bist du nicht.«
    »Doch. Meine Zähne sind weiß wie Hundezähne.«
    »So? Inzwischen sind meine es auch.«
    »Ich rieche schlecht.«
    »Ich mag deinen Geruch.«
    »Schau mich nur an! Was siehst du?«
    »Warum redest du so, Dargu? Du bist eine Mutter … Seherin
… Führerin. Du hast keinen Washavoki-Brustkorb, und der Brustkorb ist am wichtigsten.«
    »Mein Brustkorb wünscht, du wärst nicht traurig«, sagte Dar.
    Kovok-mah lächelte knapp. »Dann muss ich auf Frohsinn aus sein.«
     
    Dar träumte von Velasa-pah. Er saß stumm auf dem Fußboden der Kammer, in der sie und Kovok-mah schliefen, und beobachtete sie mit erwartungsvoller Miene.
    Als sie ihn fragte, was er wollte, zerfiel er zu Staub. Dieses Traumbild verstörte sie so stark, dass sie erwachte.
    Dar kauerte auf Kovok-mahs Schoß. Sie hatte sich an die aufrechte Sitzhaltung gewöhnt, in der die Orks schliefen, aber bequem war sie nur, weil Kovok-mahs Arme sie hielten. In seinen Armen zu ruhen war

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