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Legionare

Legionare

Titel: Legionare Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howell Morgan
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lagen, beugte Velasa-pah sich vor und blies sie an. Das Pusten wühlte die Federn auf, doch Dar hatte das Empfinden, dass nicht Velasa-pahs schwacher Atem sie neu anordnete. Als sie wieder still lagen, betrachtete der Alte sie wortlos. Geraume Zeit verstrich, ehe er erneut den Mund aufmachte. »Geht nach Tarathank.«
    »Wo ist das?«, fragte Dar.
    »Es ist eine Urkzimmuthi-Ruinenstadt, nicht fern von der Landstraße. Die Washavoki meiden sie.«
    Dar entsann sich der Geschichten, die sie in Garlsgut über eine von Kobolden bewohnte Geisterstadt gehört hatte. »Davon hab ich reden hören«, sagte sie, »aber ich weiß nicht, wo sie liegt.«
    »Weiter nördlich gabelt sich die Landstraße. Ihr müsst genau
hinschauen, denn die westliche Abzweigung wird nie benutzt und ist daher schwer zu erkennen. Folgt ihr bis zur Stadt.«
    »Mehr muss ich nicht tun?«, fragte Dar.
    Velasa-pah musterte die Federn noch eine Weile und zog zum Schluss eine kummervolle Miene. »Folge auch deinem Brustkorb.«
    »Was?« fragte Dar.
    »Dein Brustkorb versteht, was dein Verstand nicht begreift. Achte auf seine Klugheit. Es wird nicht immer leicht sein.«
    »Also gut«, sagte Dar, die diese Ratschläge insgeheim für reichlich verschwommen hielt.
    »Es gibt einen Mann, der auf Knochen hört«, sagte Velasa-pah. »Er ist euer Feind, aber ein noch ärgerer Feind sind die Knochen.« Er forschte noch ein Weilchen länger in den Federn, dann schüttelte er den Kopf. »Vielleicht solltest du die Federn anblasen«, sagte er. »Aber sachte.«
    Dar neigte sich vor und blies. Die Federn zerfielen zu Staub.
    »So ist es denn zu Ende«, sagte Velasa-pah. »Ich lege mich nun zur Ruhe, deshalb musst du beim Essen bedienen. Hole deine Freunde. Essen ist Muth’las Geschenk. Es muss von einer Mutter aufgetragen werden.« Velasa-pah streckte sich aus und schloss die Augen. »Vata, Dargu«, raunte er. Lebwohl, Dargu.
    Dar stand auf. Sie lugte ins Freie und sah zu ihrer Verblüffung Dunkelheit. Sie heftete den Blick auf Velasa-pah. Er schlief schon. »Vata, Velasa-pah«, flüsterte sie, dann eilte sie in die Nacht hinaus.
     
    Als Dar mit den Orks zur Hütte zurückkehrte, war das Feuer unter dem Kessel zu Glut heruntergebrannt, in deren schwachem
Schein sie kaum etwas erkennen konnte. Der Kessel und der Proviantsack befanden sich dort, wo Dar sie zuletzt gesehen hatte. Ansonsten herrschte in der Hütte Leere. Velasa-pah war nicht da, auch an den Wänden hing nichts mehr.
    Kovok-mah durchsuchte die Behausung. »Sähe ich kein Essen, würde ich glauben, du hättest wieder eine Vision gehabt, Dargu. Diese Wohnstatt steht schon seit langem leer.«
    Zna-yat begutachtete den Kessel aus der Nähe. »Ich kann nicht glauben, dass ein Washavoki Muthtufa zubereitet.«
    »Er hat behauptet, er sei ein Urkzimmuthi«, sagte Dar. »Seinen Namen hat er mit Velasa-pah angegeben.«
    Zna-yat wirkte erheitert. »Velasa-pah? Also wirklich, er hat dir ein Washavoki-Märchen erzählt.«
    »Wer ist Velasa-pah?«, fragte Dar.
    »Ein großer, vor langer Zeit verstorbener Zauberer«, antwortete Zna-yat. »Seine Sippe ist ausgestorben – den Washavoki zum Opfer gefallen.«

10

    DAR UND DIE ORKS BRAUCHTEN zwei Nächte, um nach Tarathank zu gelangen. Während sie sich dem Gebirge näherten, wurde die Landschaft wieder grün, aber nur selten bestellten Menschen die Scholle. Statt Gutshöfen sahen sie nur einzelne, von hohem Gras umgebene Hütten. In der letzten Nacht des Marsches bekamen sie gar keine Behausungen mehr zu Gesicht. Hier war die alte Landstraße längst so zugewachsen, dass man kaum einen Unterschied zum Grasland bemerkte. Ausschließlich das scharfe Auge der Orks erlaubte es, ihrem Verlauf bei Nacht zu folgen.
    Soweit Dars Begleiter Bescheid wussten, hatte seit Generationen kein Ork mehr die Ruinenstadt betreten. Dennoch nahm sie in den Überlieferungen ihres Volkes einen bedeutsamen Rang ein. Tarathank war die Stadt der Königinnen gewesen, der Sitz der Pah-Sippe, der eine lange Reihe von Monarchinnen entstammte. Doch da dort auch andere Sippen gewohnt hatten, hieß Tarathank auch Stadt der Matriarchen. Sie war der Mittelpunkt der orkischen Kultur gewesen, ein Ort der Wunder. Wenn Kovok-mah und seine Freunde über
sie sprachen, schwang in ihren Stimmen Erregung und Ehrfurcht mit.
    Die Orks erspähten die Ruinen schon, lange bevor sie Tarathank erreichten. Dar hingegen sah sie erst, als die Morgendämmerung die Ebene erhellte. Noch lag die Stadt fern, aber sie zog den Blick

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