Legionare
beneidet, aber seit Kovok-mah in ihr das Bedürfnis nach Zärtlichkeit geweckt hatte, kam so ein Lebenslauf ihr eher kümmerlich vor.
Am vierten Tag nach Zor-yats Abreise war Dar so nervös und ruhelos, dass Gar-yat sie aus der Küche scheuchte, statt sie noch mehr Gerichte verderben zu lassen. Dar brachte den Nachmittag vor dem Tor zu, beobachtete die Landstraße und hielt nach ihrer Muthuri Ausschau. Es war fast dunkel, als sie Zor-yat, deren Umhang der Wind zauste, allein wiederkehren sah. Dar rannte den gewundenen Weg hinab und traf sich mit ihr am Fuße des Berges.
»Was gibt es Neues, Muthuri?«
»Es steht besser als vermutet, Dargu.«
»Wird sie mich segnen?«
»Noch nicht«, antwortete Zor-yat. »Aber sie erlaubt Kovok-mah, dich zu besuchen. Sei nicht mutlos. Es gibt Hoffnung. «
»Aber ich will mehr als Hoffnung.«
»Meine Nachricht hat Kath-mah überrascht, deshalb braucht sie eine Frist zum Nachdenken. Bestimmt erkennt sie, wenn sie überlegt, dass eure Verbindung eine kluge Entscheidung wäre. Erwarte Kovok-mah. Wahrscheinlich wird er dich bald besuchen.«
Dar drückte Zor-yat an sich. »Shashav, Muthuri.«
Zor-yat war froh, während sie bergauf strebte, dass die Kapuze und das Dunkel ihr Gesicht verbargen. Sie empfand ihr Verhalten als widernatürlich und befürchtete, ihre Miene könnte sie verraten. Sinnlose Worte hinterließen einen widerlichen Nachgeschmack. Doch Zor-yat glaubte, dass Muth’la ihr verzeihen würde, wenn der Plan gelang.
26
VORÜBERGEHEND VERBESSERTE Zor-yats Mitteilung Dars Laune, aber Gewissheit konnte ihr nur Kovok-mahs Besuch bringen. Von nun an wartete Dar noch sehnsüchtiger auf ihn. Ihre Aufregung steckte das gesamte Hanmuthi an, sodass nach und nach all ihre Schwestern auf der Landstraße nach Reisenden Ausschau hielten.
Fünf Tage nach Zor-yats Rückkehr kam Nir-yat in die Küche. Dar frohlockte, bis sie Nir-yats traurige Miene sah. »Dargu, Javak-yat ist mit Neuigkeiten da.«
Dars Magen zog sich vor Kälte zusammen. »Was für Neuigkeiten? «
»Am besten erfährst du es von ihm.«
Dar eilte ins Hanmuthi. Dort saß Javak-yat mit seiner Schwester bei heißem Kräutersud zusammen. Rücksichtslos unterbrach Dar ihr Gespräch, denn sie befürchtete das Ärgste.
»Wo ist Kovok-mah, Onkel?«
Anscheinend verblüffte Dars Ungestüm Javak-yat. »Er ist nach Taiben gegangen.«
»Taiben?«
»Hai. Alle Sippen müssen neue Söhne schicken, damit sie für den Washavoki-König zum Töten ausziehen. Unsere Königin …«
»Dann ist es meine Schuld«, rief Dar. »Ihr habt ihn meinetwegen fortgeschickt.« Sie fing an zu weinen.
Erstaunt musterte Javak-yat sie. »Schwester, warum stößt deine neue Tochter so seltsame Laute aus?«
»Ich glaube, sie wird krank«, antwortete Zor-yat und warf Dar einen strengen Blick zu. »Geh in dein Zimmer und ruh dich aus, Dargu.«
Javak-yat schaute Dar nach, während sie hinausstürzte, dann maß er seine Schwester mit einem misstrauischen Blick. »Weshalb hast du Kath-mah besucht?«
»Es ging um eine Muthuri-Angelegenheit«, sagte Zor-yat. »Wenn Kath-mah dir nichts erzählt hat, ist es richtig, dass auch ich schweige.«
In der Kammer wartete Nir-yat auf Dar, als diese hineinstürmte und sich der Länge nach aufs Bett warf. Zwar erstaunten ihre Tränen Nir-yat nicht weniger als ihren Onkel, aber sie erahnte die Ursache ihrer Gemütsbewegung. »Es tut mir leid, Dargu.«
Mit reiner Willenskraft unterdrückte Dar weitere Schluchzer, aber nun konnte nichts mehr ihre Verzweiflung lindern. »Kath-mah versteht nicht«, sagte sie.
»Was versteht sie nicht?«
»Sie hat Kovok-mah in den Tod geschickt.«
»Keine Muthuri täte so etwas.«
»Keine Muthuri hat gesehen, was ich gesehen habe. Dem Washavoki-König ist es einerlei, wie viele Söhne hingemetzelt werden.«
»Unsere Königin würde so etwas nicht dulden.«
»Sie versteht auch nicht.« Dar drehte das Gesicht zur Wand.
Nach einem Weilchen hörte sie, dass Nir-yat das Zimmer verließ. Völlig vom Jammer überwältigt, blieb Dar auf dem Bett liegen. Bisher hatte sie nur die Sorge gehabt, man könnte Kovok-mah verbieten, sich mit ihr zu treffen. Aber nun gab Javak-yats Nachricht ihr allen Anlass zu befürchten, dass er in den Tod ging. Dass er fiel, war wahrscheinlich – geradezu unabwendbar –, und Dar fühlte sich dafür verantwortlich.
Schon beim ersten Mal im Feld ist er nur mit knapper Not dem Tod entronnen, dachte sie und erinnerte sich an das Blutbad der letzten
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