Legionare
Schlacht. In ihrer Vorstellung hatte plötzlich jeder gefallene Ork Kovok-mahs Gesicht.
Dar lag noch auf dem Bett, als sie Zor-yats Stimme hörte. »Es ist nicht deine Schuld, Dargu. Alle Sippen müssen Söhne nach Taiben schicken.«
Dar wandte sich ihrer Muthuri zu. »Kovok ist erst kürzlich aus dem Krieg heimgekehrt. Warum muss er noch einmal zum Töten fortziehen?«
»Nur ungesegnete Söhne werden eingezogen. Seit dem Sommer sind nur wenige übrig.«
»Hätte Kath-mah uns gesegnet, wäre er noch daheim.«
»Eine Segnung braucht Zeit«, sagte Zor-yat. »Sobald er zurück ist, wird sie ihn segnen.«
»Sagt das dein Bruder?«
»Hai, aber eigentlich sollst du es nicht wissen. Sprich nicht mit ihm darüber.«
»Also bin ich nicht der Grund, warum Kovok fort musste … «
»Gewiss nicht. Unsere Königin ist der Grund. Sie hat es befohlen. Sei geduldig. Du wirst gesegnet.«
»Thwa, werde ich nicht«, sagte Dar dumpf. »Ich weiß es in meinem Brustkorb.«
»Warum sagst du so etwas?«
»Weil Kovok nicht heimkehrt.«
»Hattest du eine Vision?«, fragte Zor-yat mit sorgenvoller Stimme.
»Thwa, aber ich habe den Krieg erlebt.«
»Ein Befehl der Königin bringt vielen Müttern Kummer, nicht nur dir.«
Dar schwieg, doch sie hatte neue Tränen in den Augen.
Zor-yat, die schon unter den Washavoki gelebt hatte, kannte die Bedeutung von Tränen. Sie forschte in Dars Miene nach weiteren Anzeichen, die ihr Aufschluss geben konnten, was ihre neue Tochter dachte.
Dar bemerkte diese vorsichtige Beobachtung nicht, da das Ringen um eine Entscheidung sie ganz in Anspruch nahm. Noch konnte ihr Herzenswunsch in Erfüllung gehen, aber nur wenn sie sich auf ein mörderisches Wagnis einließ.
Geduldig wartete Zor-yat ab. Sie hatte alles gesagt, was sie zu sagen hatte. Bloß die Zeit würde zeigen, ob ihre Worte die gewünschte Wirkung zeigten. Nach einer Weile gewahrte sie die Ausdünstung der Furcht. Nach und nach wurde der Geruch stärker und erfüllte die ganze Kammer.
»Muth-yat hat recht«, sagte Dar schließlich.
Zor-yat täuschte Unwissenheit vor. »Recht womit?«
»Ich muss nach Taiben gehen.«
»Nach Taiben? Wozu?«
»Um unsere Königin aufzusuchen und herauszufinden, warum sie die Söhne zum Töten ausschickt. Habe ich Erfolg, kann es Kovok-mahs Rettung sein.«
»Wie willst du das schaffen?«
»Ich bin nicht sicher, aber mein Brustkorb sagt mir, ich muss es versuchen.«
Zum Schluss der Unterhaltung beauftragte Zor-yat Dar, sich unverzüglich an Muth-yat zu wenden. Die Matriarchin freute sich über Dars Sinneswandel. »Für mich steht fest, dass Muth’la dich leitet«, sagte sie. »Zor-yat kann stolz sein. Du bist eine würdige Tochter.«
Dar bedankte sich für das Lob mit einer Verbeugung. Dann bereitete Muth-yat ihr eine Überraschung: Sie ließ ihr nämlich Washavoki-Kleidung bringen. »Du brauchst sie für deine Reise.« Offenbar waren der schäbige Umhang und das verschlissene Hemdkleid sorgfältig ausgewählt worden, denn sie entsprachen genau der Bekleidung, die Regimentsweiber trugen. Dar hielt sie für zu sauber, sonst jedoch eigneten sie sich ohne weiteres.
»Dargu«, sagte Muth-yat, »ich habe keine Ahnung, was du entdecken wirst, darum kann ich dir wenig Rat oder Beistand geben. Ich werde den Söhnen unserer Sippe befehlen, dir Hilfe zu erweisen, aber verlasse dich auf deine eigene Klugheit. Bestehen Zweifel, folge deinem Brustkorb.«
Dar dankte der Matriarchin, und einige Augenblicke peinlichen Schweigens folgten, bis Muth-yat sie schließlich anwies, sich auf die Reise vorzubereiten. Mit dem Kleiderbündel verließ Dar sie und fragte sich, ob man sie vielleicht manipuliert hatte. Dennoch stand ihr Entschluss fest: Sie wollte nach Taiben gehen. Nur dort hatte sie die Möglichkeit, König Kregants Hinterlist zu entlarven und mit Kovok-mah zusammen zu sein.
Statt geradewegs ins Hanmuthi zurückzukehren, ging sie ins Freie, um die Washavoki-Kleidung zu verschmutzen.
Die Terrassenfelder sahen um diese Jahreszeit so öde aus wie die Berge des Umlandes. Dar fröstelte, allerdings weniger aufgrund der Kälte, sondern mehr wegen der Aussichten der kommenden Tage. Sie warf die Kleidungsstücke auf die Erde und trampelte auf ihnen herum.
Zna-yat näherte sich. »Ich höre, wir reisen nach Taiben.«
Dar ließ davon ab, ihr Hemdkleid in den Lehm zu stampfen. »Unsere Sippe schickt dich zum Töten aus?«
»Thwa. Weißt du nicht mehr, dass du in meinen Nacken gebissen hast?«
»Du brauchst
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