Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
Vom Netzwerk:
erst jetzt gesehen, dass du mich vorhin angerufen hast. Sonst hätte ich …«
    Ich musste lachen. »Richard! Huhu! Lass mal dein Handy! Ich stehe vor dir. Mach mir Vorwürfe! Los! Aber richtig!«
    »Was für Vorwürfe?«
    »Ich war zehn Tage verschollen. Sally wird mir das wahrscheinlich nie verzeihen. Sie glaubt, ich sei einem hübschen Frauenarsch hinterhergelaufen. Was gar nicht so verkehrt ist. Es war ein roter Hintern.«
    Richard runzelte die Stirn.
    Ich setzte mich, damit auch er sich setzen konnte, und klaute ihm den Kaffeebecher für einen schnellen heißen Schluck. Neben dem Tablett stand ein Aschenbecher, in dem sich eine Kippe krümmte. Richard pflegte seine Kippen zu knicken.
    Ich schaute wohl ziemlich konsterniert.
    »Bis August darf man noch rauchen«, sagte er. »Au ße r dem sind wir in Bayern, da darf man es noch bis Ne u jahr.«
    Endlich stimmte die Perspektive wieder. Willkommen, normaler Wahnsinn.
    »Richard«, sagte ich, »wenn du mir keine Vorwürfe machst, dann mach ich dir welche. Denn irgendwelche müssen jetzt gemacht werden.«
    »Warum?«
    »Weil … weil …«
    Er lächelte und raubte seinen Kaffee zurück.
    »Sag jetzt bloß nicht«, warnte ich ihn, »dass du die ganze Zeit wusstest, wo ich war.«
    Er hob den Becher. Seine milchkaffeebraunen Augen mit den grünen Einsprengseln glitzerten etwas zu nass über den Rand hinweg.
    »Wie nennt man das?«, schnappte ich. »Freiheitsb e raubung und in deinem Fall Beihilfe? Ich werde dich verklagen!«
    Richard setzte den Kaffeebecher ab. »Ich weiß es erst seit drei Tagen, Lisa. Jockei hat mich angerufen und es mir gestanden, kurz bevor in den Nachrichten die ersten Meldungen über die ungeheuerlichen Vorgänge auf der Artemis liefen. Jockei hatte befürchtet, in diesem Zu sa m menhang werde auch dein Name fallen. Er fiel j e doch nicht.«
    »Aber du hast mit ihm gewettet!«
    »Himmel, ja, aber doch nicht, dass es ihm gelingt, dich zu entführen und da raufzuschicken. Außerdem ist es drei Jahre her.«
    »Aber erzählt hast du es mir nicht, Richard! Von Ne o dym hast du gefaselt, über Urheberrechte und Wirt schaft s interessen auf dem Mond, aber kein Wort darüber, dass ihr euch über mich und meine Mondreise gestritten habt auf Schloss Ratzenried. Warum hast du mir das ve r schwiegen?«
    »Weil ich befürchtet habe, du könntest dich dafür be geistern«, sagte er ungewöhnlich offen.
    »Aber warnen hättest du mich müssen! Du wusstest doch, dass Gunter und Jockei nach Ardans Tod mit dem Gedanken gespielt haben, mich ins STS-214 zu setzen. Du musstest wissen, dass dein Nein nicht genügt, diese beiden oberschwäbischen Schlawiner von ihrem Streich abzubringen.«
    »Wieso habe ich das wissen müssen?«
    »Dann kann ich dir nur gratulieren zu deiner hohen Meinung von deiner Autorität. Aber weißt du, was ich eigentlich glaube?«
    Richards Lider flackerten.
    »Du hast es mir … gegönnt. Eine kleine Versetzung … eine Strafversetzung auf den Mond, eine kleine Erzi e hungsmaßnahme …«
    Richard schüttelte den Kopf.
    »Dann hättest du besser aufpassen müssen. Du hättest mich zwingen müssen, mit euch in den Hubschrauber zu steigen.«
    »Zwingen?«
    »Wenigstens inständig bitten, so dass ich nicht hätte Nein sagen können.«
    »Und, wärest du meiner Bitte gefolgt?« Sein Blick bohrte sich in meinen Augenhintergrund. »Die Wahrheit ist, Lisa, ich … ich habe es für völlig ausgeschlossen und gänzlich abwegig gehalten, dass man jemanden … wie dich …«
    »Einen Straßenköter?«
    »Lass mich doch ein Mal ausreden, ja?«
    »Na bitte, endlich ein Vorwurf!« Ich konnte mich ent spannt zurücklehnen. »Geht doch!«
    Richards Augen sprühten. »Was willst du eigentlich hören, Lisa? Dass ich es im tiefsten Grunde meines Her zens in Ordnung fand, dass du dich mal nicht davo n ste h len kannst, wenn du keine Lust mehr hast, dass du dich auf Gedeih und Verderb einlassen, anpassen, einf ü gen musst, an Regeln halten, weil man andernfalls sich selbst und andere in Lebensgefahr bringt? Und dass dir eine ordentliche Portion Unsicherheit und Angst nicht sch a det?«
    Ich schluckte nun doch ziemlich. »Was für eine Angst? Die um mein Leben oder die um deines? Letzt e res wäre allerdings keine Angst gewesen, sondern eine grauenvolle Gewissheit, auf die ich lieber verzichtet hä t te.«
    Er zog erstaunt die Brauen hoch.
    »Himmelherrgott, Richard, du bist tot! Ich meine, du warst tot. Zehn Tage lang! Ich habe den Hubschrauber explodieren sehen,

Weitere Kostenlose Bücher