Lehmann, Christine
mobilen ethnischen Minderheit gewesen.« Polize i deutsch für Zigeuner. »Aber ich glaub ’ s it. Die habet it nach Schmuck gesucht. Sie habet zwar ein paar Klunker mitgehen lassen, aber it alles. Und den DVD-Rekorder haben sie auch stehen lassen. Der ist zwar alt, aber Tor s tens Computer war au it neu.«
»Was war da drauf?«
Susanne zuckte mit den Schultern. »Unsere E-Mails und Fotos und Spiele und all das. Ein paar Sachen vom Gschäft, hat Torsten gesagt, aber nichts Geheimes, das wo gar keiner wissen darf. Er hat sich das au it erklären können, wo ich es ihm erzählt habe. Aber vielleicht hat er mir das au it mehr sagen können. Man hat ja nie g e wusst, wer mithört. Die Gespräche sind über Computer gegangen, und da hat das Kontrollzentrum Zugriff drauf. Und bestimmt höret da noch andere mit.«
»Wer?«
Sie lächelte abgebrüht. »Chinesen, die Amerikaner, Terroristen … was weiß ich. Hinter uns sind sie alle her.«
»Wie meinen Sie das?«
»Das weiß man doch, dass die Chinesen scharf sind auf unser Know-how. Die hacken sich doch überall rein. Torsten hat schon, wo wir in Bolivien waren, aufpassen müssen mit seinen Unterdruckversuchen für Gaspipe lines. Aber dann ist eh politisch alles in die Luft gefl o gen. Sogar der Staatspräsident hat fliehen müssen.«
»Hm.« Ich war wieder mal ziemlich blöd im Kopf.
»Für die SSF sind wir damals dort gewesen.«
»Space Systems Friedrichshafen. Sie kennen Gunter Maucher?«
»Ja, klar, seit der Schul.« Susanne zündete sich eine neue Zigarette an und spitzte die kaum entstandene Asche am Rand des Aschenbechers. Ihr Blick ruhte sich auf meinen unteren Augenlidern aus, bevor er mir in die Pupillen sprang. »Torsten und Gunter haben eine Wette am Laufen gehabt. Ich hätte nie gedacht, dass er … dass er Ernst macht damit.«
»Womit?«
Susanne bewegte den Kopf, als wolle sie einen Al p traum abschütteln. »Torsten wollte … He, Luca, jetzt reicht ’ s aber!« Sie sprang auf.
Luca köpfte die Fontänen und ließ das Schwert auch gleich mal rasch gegen Diana sausen.
11
»Niedrige und glatte Ebenen, trockene ›Meere‹ und auch andere Stellen wiesen, im Widerspruch zu den Behau p tungen des Physikers, deutliche, wenn auch nur winzige Spuren einstiger Feuchtigkeit auf. Wir liebten diese sta u bigen Ebenen, doch liefen wir so schnell, dass die Staubwolken zurückblieben. Sie legten sich übrigens so fort wieder, da es ja keinen Wind gab, der sie empo r wirbelte.« Auf dem Monde, Konstantin E. Ziolkowski, 1893
Plötzlich ertönte aus der Quartierecke an der Tür eine Stimme: »Dr. Georg Giffhorn, Dr. Ardan und Mr Franco Llacer, bitte in die Cupola.« Intercom nannte man die Gegensprechanlage.
Ich sprang von der Koje auf, wäre fast gegen den ob e ren Türsturz geknallt, flog ins spinale Treppenhaus hi n aus und prallte gegen etwas Weiches.
»Eh!« Es klang weiblich. »First look!«
Sie trug wie ich den weiten violetten Zelluloseanzug von dem Unisex-Charme, den nur Tamara mit ihren Ti t ten durchbrechen konnte.
»Ah, ein Greenhorn! Ich bin Gail. First Lieutenant Gail Taylor.«
Sie war von berückender Hässlichkeit. Blond, ja, aber kurzgeschnitten und ausgefranst. Ihr Gesicht bestand hauptsächlich aus einer Nase, das Kinn fehlte, schwere Augendeckel schläferten den Blick aus grauen Augen ein, auf der großen Unterlippe lag die Verheißung sex u eller Abgebrühtheit.
»Michelle Ardan«, sagte ich, ohne Aussicht auf sex u elle Differenzierung per Aussprache.
»Ah, unser Lebensretter!« Sie lachte blubbrig wie Vulkanlava.
Fragezeichen, aber keine Zeit zu fragen. »Ich sollte jetzt schnell nach … verdammt, wohin muss ich?«
»Rauf. Ins Kino. Alle Greenhorns müssen sich den Film anschauen. Wir sehen uns zum Abendessen.«
»Unvermeidlich.«
Blubbernd wie ein Lavatopf stieg sie nach unten. Ich wandte mich treppauf, vertat mich mit meiner Kraft, schoss die halbe Treppe hoch, traf die Stufe nicht, sto l perte aus dem Loch im Boden in die Glaskuppel hinaus und erstarrte.
Bo-eih! Irre! Wahnsinn!
Über mir herrschte Nacht, von Myriaden von Sternen gepunktet, darunter in den umlaufenden Panoramafen s tern war gleißend heller Tag. Mein erster Blick galt de n noch der Erde, die tief überm Horizont hing. Eine blaue Marmorkugel, angefressen. Es war Halberde. Sie war weiter weg, als ich erwartet hatte, und dennoch unhei m lich nah, vertraut und unerreichbar. Ich suchte nach Ko n tinenten im Gemisch aus Weiß und Blau, aber ich konnte
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