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Lehmann, Sebastian

Lehmann, Sebastian

Titel: Lehmann, Sebastian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Genau mein Beutelschema
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sie nicht mehr.
    »Ich bin einundzwanzig Jahre alt, habe letztes Jahr mein Kommunikationsdesign-Studium mit einem Bachelor of Arts abgeschlossen und arbeite jetzt bei Universal als A&R-Managerin.«
    Das ist ja schrecklich. Mit einundzwanzig habe ich damals vor zehn Jahren mein Studium ja erst angefangen. Wahrscheinlich verdient dieses junge Ding auch noch doppelt so viel wie ich.
    Ich versuche zu lachen, als hätte sie gerade einen Witz gemacht, aber ich ahne schon, dass das ihr purer Ernst war.
    »Mir kommt es immer so vor, als seien die Neunziger gerade erst vorbei«, sage ich, werde allerdings von einem ohrenbetäubenden Chor unterbrochen: der Anfang des uralten Hits »Happy People« von Marky Mark.
    Meine junge Gesprächspartnerin hüpft sofort los und macht dabei hysterische Armbewegungen. Das sieht ein bisschen lächerlich aus, aber auch ziemlich happy. Dann hört sie zum Glück wieder auf, beugt sich vor und schreit mir ins Ohr: »Wie heißt du?« Dabei kann ich ihren Atem riechen. Er riecht nach Rauch und Club Mate mit einer Note Wodka.
    »Ich heiße Marky Mark«, sage ich.
    Ich kann mich übrigens grundsätzlich nicht beherrschen, jeden schlechten Witz zu machen, der sich aufdrängt. Aber meine junge Gesprächspartnerin lächelt zum Glück.
    »Mein Name ist Christina Aguilera. Vielleicht wollen wir was trinken an der Bar? Was meinst du, Marky?«
    Ich überlege, einen Witz über sie als »Genie in a Bottle« zu machen, beherrsche mich aber gerade noch. ChristinaAguilera zieht mich durch die Menschenmenge zur Bar und bestellt auf Englisch zwei Wodka-Shots beim hessischen Barkeeper. Wir stoßen an und exen die kleinen Plastikbecher. Sie verzieht kurz ihr Gesicht, und das sieht natürlich wahnsinnig niedlich aus.
    »Warum tanzt du denn nicht, Marky?«, fragt sie. »Das ist doch deine Musik.«
    »Genau deswegen. Außerdem bin ich doch jetzt Schauspieler.«
    »Stimmt, besonders gut hast du mir als Dirk Diggler in Boogie Nights gefallen.«
    Ich verschlucke mich an meiner Mate, aber Christina hat sich schon wieder dem Barkeeper zugewandt und verhandelt über eine zweite Runde Wodka. Wir exen abermals die kleinen Becher, und langsam verfliegt meine Nervosität. Ein bisschen eingeschüchtert bin ich doch, man wird schließlich nicht jeden Tag von hübschen Frauen angesprochen. Und Christina Aguilera fällt hier trotz ihrer Neukölln-Uniform auf. Da kann man auch mal über ihre straighte Karriere im bösen Musikbusiness hinwegsehen.
    »Bist du hier öfter?«, frage ich schließlich, weil mir nichts Besseres einfällt.
    »Der Club hat doch erst letzte Woche aufgemacht.«
    Vielleicht sollte ich den Spruch auf ihrem Stoffbeutel wirklich ernst nehmen, zumindest den ersten Teil.
    »Irgendwie kommst du mir bekannt vor«, sagt Christina plötzlich ziemlich ernst dreinschauend.
    »Ich bin ja auch sehr berühmt«, sage ich.
    »Berühmt ja, aber für was?«
    »Na ja, ›Dirrty‹ ist jetzt auch nicht gerade das komplexeste und anspruchsvollste Lied.«
    »Aber meine Stimme, Marky. Die ist ja wohl spektakulär.« Sie berührt mich beiläufig und lässt ihre Hand ein wenig zu lange auf meinem Arm liegen.
    »Ich hab eigentlich nie so sehr auf die Musik geachtet, mich haben eher die Videos interessiert.«
    »Dagegen ist der Text von ›Happy People‹ wirklich ein lyrisches Meisterwerk.« Christina beugt sich vor und singt mir noch mal das gerade verklungene Lied ins Ohr:
    »I want to see more happy people
    Happy people want to see more happy people
    Where are all those happy people?«
    Sie kann zwar nicht so schön röhren wie ihre Namensvetterin, aber ich bin jetzt trotzdem auch ziemlich happy. Das scheint doch alles gar nicht so schlecht zu laufen.
    Auf einmal steht ein Typ neben uns und flüstert Christina Aguilera etwas zu. Er trägt eine dieser riesigen schwarzen Brillen, die man aus Fernsehdokus über die 68er-Proteste und von alten Familienfotos kennt. Nerd-Brillen heißen die inzwischen. Ansonsten sieht er natürlich genauso aus wie alle hier. Auf seinem Stoffbeutel steht: »Ich bin intelligenter und fotogener als du.«
    »Mein Kollege Dr. Alban«, stellt Christina ihn mir vor. »Und das ist Marky Mark.« Sie deutet auf mich. Ich muss unkontrolliert lachen, da macht noch jemand gern schlechte Witze. Dr. Alban hält mir aber unbeeindruckt seine Hand hin.
    »Unterhaltet euch. Ich geh aufs Klo«, ruft Christina und stolpert Richtung Ausgang.
    »Ich bin nicht ihr Freund«, sagt Dr. Alban und sieht mich ausdruckslos an.
    Na toll,

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