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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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der Lehrerwelt. Seine Außenkontakte beschränkten sich auf die regelmäßige Pflege des Schulgartens, den er mit Leidenschaft umpflügte und mit neuen, exotischen Pflanzen bestückte. Da der Schuletat knapp war und der Schulgarten nicht gerade Priorität hatte, konnte er allerdings vom schmalen Monatsgeld nur das Nötigste kaufen, was bedeutete, dass der Schulgarten eigentlich nur aus unansehnlichen Unkrautgewächsen bestand, zwischen denen ein dicker, bärtiger Dr. Bommelheim schwitzend Löcher grub. Die Schulgarten AG musste nach relativ kurzer Zeit aufgelöst werden, weil einige engagierte Schüler asthmatische Allergieanfälle bekamen und wild prustend aus dem Gestrüpp gerettet werden mussten. Es kam heraus, dass Dr. Bommelheim eigentlich nur hochgiftige oder zumindest schwer allergene Pflanzen ausgesät hatte, zwischen Fingerhut und Brennnesseln fand sich sogar eine Kolonie Herkulesstauden, die jeden Schüler, der versuchte, sie zurückzuschneiden, in ein rot geschwollenes Ballontier verwandelten. Dr. Bommelheim hatte einen Dschungel des Todes direkt neben dem Schulhof herangezüchtet, selbst die dümmlich gurrenden Tauben vermieden es, in dieser Giftküche zu landen. Nachdem sich einige besorgte Eltern beschwert hatten, kam eine ganze Delegation von Stadtangestellten und brannte den Schulgarten auf richterlichen Beschluss mit Flammenwerfern nieder.
    Weibliche Biologielehrer(innen) sind eher eine Splittergruppe. Während meiner Schulzeit habe ich nur wenige Exemplare dieser Spezies angetroffen, die sich von Fall zu Fall jedoch so sehr voneinander unterschieden, dass eine allgemeine Beschreibung schwierig erscheint. Sie wirkten auf mich jedoch ungemein weniger lebensfremd als die männlichen Biologielehrer, die so unbeholfen durch ihr Leben torkeln wie ein Blinder durch den Streichelzoo. Biologielehrerinnen sind entweder verblendete Ökoaktivistinnen, die an den nördlichen Stränden dieser Welt den Robben das Öl aus dem Scheitel kneten oder mit Greenpeace-Schiffen japanische Walfänger attackieren. Oder sie sind sonnenbankgebräunte Schicksen mit rot lackierten Fingernägeln, die Tiere höchstens schützen, indem sie das Leder ihrer Stilettos imprägnieren.
    Abschließend lässt sich sagen, dass der Biologielehrer im Schulalltag eher eine bemerkenswerte Randerscheinung ist, da er sich in seinem Verhalten und seinen Bedürfnissen deutlich von den anderen Lehrern abhebt.

School’s Out Forever
    Die dunklen Wolken lagen wie ein schwarzes Tuch über der Industrie-Silhouette Gelsenkirchens. Alle paar Minuten spuckte sie ein paar milchig weiße Fäden auf unseren Schulgarten, in dem Frau Marxloh mit schwarz geschminktem Gesicht vor der gesamten Schülerschaft stand. Feierlich faltete sie ihre Hände über der Brust, schloss die Augen und legte sich in einen weißen Holzsarg, der neben einer knietiefen Grube aufgebahrt war. Untermalt von Chopins Trauermarsch ließen daraufhin sechs meiner Mitschüler die lebendigen Überreste von Frau Marxloh langsam in das Loch hinabgleiten. Zum Glück kam die Musik vom Band und wurde nicht von der Schulkapelle intoniert – sie hätten dieser tieftraurigen Melodie locker die Seelenlosigkeit eines Handyklingeltons verliehen.
    Als der Sarg am Boden angekommen war, kippte Mario Bewersmann, unser in eine schwarze Kutte gekleideter Stufensprecher, ein paar Schippen feuchter Erde in die Grube. Einige Mädchen strichen sich theatralisch Tränen aus dem Gesicht und warfen weiße Rosen hinterher. Mit großer Geste drehte sich Mario Bewersmann mit gesenktem Blick zur versammelten Schülerschaft um, erhob die Arme und segnete unseren weiteren Lebensweg mit drei kurzen Worten: »Sangria für alle«.
    Die Menge jubelte, aus dem Schullautsprecher grölte Alice Coopers »School’s out for Summer« und der gesamte Lehrkörper stand kopfschüttelnd neben dem Grab von Frau Marxloh. Dass sich diese Frau, die sonst der Inbegriff des autoritären Pädagogenrottweilers war, zu einem solchen Mist hatte überreden lassen, konnte nur dem Einfluss von halluzinogenen Drogen oder schlichter Erpressung geschuldet sein. Jedenfalls stand fest, sie war die Hauptattraktion unseres Abischerzes, dieser sonst kreuzbiederen Tradition, in der eine Gruppe langweiliger Halbstarker kurz vor der Sparkassenausbildung noch mal die Sau rauslässt. Mario Bewersmann hatte unser diesjähriges Motto »Abicula – Die Sangriasauger von der Eliteschule« ins Leben gerufen und in Frau Marxloh wahrhaftig eine Irre gefunden, die

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