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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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Kamillenteebeutel aus ihrer Tasse fischte.
    Ich eröffnete das Gespräch mit »Pilawa sagt, ich soll Putzfrau werden«, damit hatte ich schon mal ihre Aufmerksamkeit, wenn auch nicht unbedingt im positiven Sinne.
    »Jetzt bleiben Sie mal schön ruhig«, beschwichtigte mich Frau Salpeter und legte mir ihre dicke Hand auf den Arm. Von dieser zärtlichen Geste kurz ausgebremst starrte ich ihre roten Fingernägel an, auf die jemand Schnörkel aus kleinen Glaskristallen aufgetragen hatte. So musste es sich anfühlen, wenn man getasert wurde.
    Ich erzählte Frau Salpeter von meiner verheerenden Prognose, der Computer sei wohl kaputt, oder wie?
    Frau Salpeter blieb ruhig wie das tote Meer, sie hatte wohl tagtäglich Opfer von BiWip zu betreuen.
    »Nein, nein, dass Sie kein Förster sind, ist mir schon klar«, sagte sie und tippte ein paar Informationen in ihren Computer. Wahrscheinlich hielt das Pilawa-Männchen gerade ein Schild mit der Aufschrift »Vollidiot« hoch.
    »Wie sind denn so Ihre Noten?«, fragte sie und war nach meiner Putzfrauengeschichte wohl überrascht, dass diese nicht total unterirdisch waren.
    »Mmh, wie wär’s denn mit Tierarzt? Da hätte ich gerade eine Praktikantenstelle frei …?«
    Ich sah meine Mutter schon wild hin und her springen: »Junge, eine eigene Praxis!«
    Tierarzt? Gar nicht mal so schlecht, eigentlich sogar ganz gut. Tiere lagen mir ohnehin am Herzen, vielleicht auch, weil ich mich mit meinem Hund besser verstand als mit den meisten Klassenkameraden. Außerdem passte es ganz gut, denn das sechswöchige Schulpraktikum der elften Klasse stand sowieso bald an.
    »Da gibt es sogar ein kleines Gehalt als Aufwandsentschädigung«, sagte Frau Salpeter und führte damit das letzte, entscheidende Argument ins Feld.
    »Das nehm ich …«, schoss es aus mir heraus. Immerhin besser als Förster oder Opernsänger.
    Frau Salpeter gab mir die Kontaktdaten und wünschte mir für mein Praktikum viel Glück. Wie sich herausstellte, würde ich das gebrauchen können.

Der Tierarzt
    Als ich nach Hause kam, frohlockten meine Eltern wie erwartet, und meine Mutter suchte schon mal die Wandfarbe für meinen zukünftigen Behandlungsraum aus (»Ein helles Eierlikör wirkt freundlich und beruhigt.«). Mein Vater hingegen rechnete aus, wie lange ich mit einem Praktikantengehalt brauchte, um meine Schulden für die Kopfnoten bei ihnen zurückzuzahlen.
    Statt Einrichtungstipps für meine künftige Praxis hätten wir uns jedoch besser Gedanken über ein paar essenziellere Dinge machen sollen. Rückblickend hätte ich für mein Praktikum nämlich den Magen eines erfahrenen Pathologen gebraucht, eine Portion Antidepressiva, die selbst ein Faultier fröhlich gestimmt hätte, eine Brechtüte von der Größe Belgiens und außerdem Panzerhandschuhe, besser noch eine Ritterrüstung.
     
    Dann waren die Sommerferien gekommen und mein Praktikum in der Tierarztpraxis Dr. Holbrecht begann. Dr. Ferdinand Holbrecht war ein Mann mittleren Alters mit grauen Schläfen und einem schmalen Mund, der sich nie bewegte. Jedenfalls nicht in meiner Gegenwart, ich glaube, Dr. Holbrecht hat in den sechs Wochen meines Praktikums nur einmal direkt zu mir gesprochen. Als Sprachrohr diente ihm Simone, seine stets gut gelaunte Sprechstundenhilfe. Dieses »Stille-Post-Prinzip« führte dazu, dass ich einmal fast ein Zäpfchen für Hunde ab 40 Kilogramm Körpergewicht in einen Hamster gestopft hätte – zum Glück ging Simone dazwischen und hielt mich davon ab, den Nager zur Explosion zu bringen.
    Die ersten Tage als Praktikant waren eigentlich ganz angenehm. Ich sah zu, wie Kaninchen kastriert wurden, und lernte eine Rotwangenschildkröte mit Reizdarm kennen, deren Gesichtsausdruck mich irgendwie an meine Religionslehrerin Frau Zippert erinnerte.
    Mein Aufgabenspektrum beschränkte sich in den ersten Tagen vor allem darauf, die Tiere bei der Behandlung festzuhalten und mich beißen zu lassen. Eigentlich biss mich jedes Tier in der Praxis mindestens einmal, außer einer phlegmatischen Rennmaus namens Harald, die war selbst dafür zu antriebslos.
    Die wahre Prüfung sollte an einem Morgen kommen, der zunächst ganz ruhig begann. Dr. Holbrecht schwieg mich wie immer an, ließ mir jedoch über Simone zukommen, dass ich mich bisher »ganz okay« schlug. Nach dieser Adelung startete ich beschwingt in den Arbeitstag, der mit einem Perserkater namens Bodo begann, welcher sich bei seiner Impfung so geschickt um die eigene Achse drehte, dass er

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