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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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postpubertären Zivildienstleistenden der Sichel des Todes entronnen war. Recht unelegant und nicht Walt-Disney-Film-tauglich, stopften wir das Vieh in Vaters gelben Müllsack, hoben es über die Backsteinmauer der Kita Spieledorf und brachten es dann im Kofferraum des Lehrerpassats sicher zu uns nach Hause.

Muttermilch für einen Döner
    »Ein Schaf?«, fragte meine Mutter mit einem Gesichtsausdruck, als hätte mein Vater den kompletten Zirkus Roncalli zum Gastspiel in unserer Auffahrt eingeladen.
    »Ein Lamm, es ist vielmehr ein Lamm, Ingrid«, sagte mein Vater kleinlaut. Die nächsten paar Sekunden entschieden nicht nur über Paulas Leben, sondern auch über seins.
    »Ach ist das süß«, rief meine Mutter dann und knuddelte den kleinen Schafskopf, der unsicher aus der gelben Mülltüte herausragte.
    Beide Leben gerettet, dachte ich und schaute auf meinen Vater, der mich mit einem schmalen Lächeln bedachte – er war wohl auch erleichtert, dass meine Mutter nicht sofort die Scheidungspapiere aus dem Schrank gekramt hatte.
    »Und was machen wir jetzt damit?«, fragte sie zu Recht, denn weder ich noch meine Eltern hatten auch nur die geringste Erfahrung im Umgang mit Schafen oder sonstigen domestizierten Tieren. Kurz fiel mein Blick auf unsere unbeteiligte Dogge, die uns und das Schaf ansah, als hätten wir nicht alle Tassen im Schrank. Doch sie war ein Männchen, zur Aufzucht fremder Tierkinder völlig ungeeignet und hätte mit einer vorgeschnallten Milchflasche als Zitzenersatz im besten Falle ziemlich dämlich ausgesehen.
    So riefen wir Dr. Meyer an, den Tiermediziner unseres Vertrauens, der sich an der Behandlung unseres Hundes bereits eine goldene Nase verdient hatte. Bechippung, Kastration, Krallenentfernung und Reizdarmbehandlung waren nur der Anfang des medizinischen Allgemeinprogramms von Adenauer gewesen.
    Wahrscheinlich würde der Hund als Nächstes ein Ed-Hardy-Tatoo auf die Stirn bekommen und einen bionischen Arm mit Korkenzieher. Immer wenn ich Dr. Meyers Stimme am Telefon hörte, stellte ich mir vor, wie er auf seiner Privatjacht vor Nizza saß und gerade einen seiner Goldbarren polierte.
    »Hat das Lamm schon getrunken?«, fragte der leicht beduselt klingende Doktor, wir hatten ihn wohl im Feierabend gestört.
    »Nein«, stellte mein Vater fest. Zum Trinken war beim Diebstahl des Schafs und unserer rasanten Flucht über das Kita-Gelände keine Zeit mehr geblieben, weder für uns noch für das Lamm.
    »Das Lamm braucht Biestmilch, das ist die erste Milch der Mutter, die besonders viele Vitamine und Immunstoffe enthält, ohne die können Sie das Projekt direkt abschreiben.«
    Eine halbe Stunde später wuchtete mein Vater daher meinen dicken Hintern per Räuberleiter wieder rauf auf das Gelände der Kita Spieledorf, nachdem wir vorher so spektakulär von dort geflohen waren. Wir hatten Glück, dass das abendliche Gelsenkirchen menschenleer war, es wäre sicherlich schwierig geworden, einem gelangweilten Polizeikommissar zu erklären, warum wir in einen Schafsstall einbrachen. In Sekundenbruchteilen wären wir für ihn zu verdächtigen Sodomisten geworden und in Untersuchungshaft gekommen – sicherlich nicht der richtige Platz für meinen Vater, der bereits seine purpurne Schlafanzugshose trug.
    Mit einem hohlen Klatsch schlug ich auf dem weichen Boden des Geländes auf, der Sud aus Schafdung und Matsch ließ mich duften wie einen iberischen Ziegenhirten in der Sauna.
    Mit Taschenlampe und dem Mut der Verblödeten bewaffnet, schlichen mein Vater und ich durch das nächtlich stille Gehege. Ein paar halb offene Schafsaugen bespitzelten uns misstrauisch, während wir unter der Abzäunung zum Stall hinkrochen. Es roch nach nasser Erde und Schafspups, ich bereute auf der Stelle, den Stall nicht öfter ausgemistet zu haben. Da lag Frida, ihr Neugeborenes Funda schmiegte sich an ihren fetten Körper und schaute uns doof an. Das Mondlicht fiel in milchigen Fäden durch die Spalten des Verschlags, in der kalten Abendluft konnten wir unseren Atem sehen.
    Ich machte mich direkt ans Werk, wobei sich meine Geschicklichkeit beim Melken als Stadtkind deutlich in Grenzen hielt, meine einzige Erfahrung mit der Tierwelt bestand darin, dass ich hin und wieder mit unserem absurd hässlichen Hund die Passanten verschreckte. Ich fuhrwerkte so ungeschickt an dem prallen Schafseuter herum, als wollte ich einen Abfluss reparieren. Frida quietschte zu Recht schmerzerfüllt und blökte, als würde ich sie mit einem

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