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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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Pürierstab frisieren.
    »So geht das nicht«, knurrte mein Vater und schob mich zur Seite, um es besser zu machen. Nach ein paar Minuten des Drückens, Pressens und Massierens wurde ihm klar, dass auch das nichts wurde, und er ließ von dem roten Euter ab.
    »Komm schon, Frida, du musst jetzt hier mithelfen«, appellierte er in bester Oberstufenleitertonlage an das Schaf. Wir waren anscheinend schon so verzweifelt, dass wir mit dem dösigen Knäuel zu diskutieren begannen.
    Ich versuchte es noch einmal, diese bescheuerte Biestmilch war nun mal exklusiv nur hier zu erhalten. Hätte man sie zu einem astronomischen Preis im Supermarkt kaufen können, ich glaube, mein Vater und ich wären mittlerweile bereit gewesen, den Dispo zu strecken. Plötzlich rann ein kleiner, schwach gelber Strahl aus der Zitze und floss mir über die Hand, das Gefühl war im besten Falle eigenwillig, aber das war jetzt auch egal.
    »Da kommt es, Hosianna!«, brüllte mein Vater. Man stelle sich vor, Bauern würden bei allen paar Millilitern Kuhmilch, die sich ihre Viecher rausdrückten, eine ähnliche Freude wie wir verspüren, jeder Bauernhof wäre ein Hort der Glückseligkeit.
    Aber was war passiert? Irgendetwas musste ich wohl anders gemacht haben, dass das Vieh plötzlich Milch gab, aber was?
    »Mach das noch mal!«
    »Was denn?«, fragte ich.
    »Ja, das Pfeifen, das kenn ich doch auch!«
    Mir war es gar nicht aufgefallen, aber in dem ganzen Stress hatte mein Hirn wohl irgendwie die Reißleine gezogen und angefangen sich selbst zu bespaßen. Ich hatte »Always look on the bright side of life« von Monty Python gesummt, ohne es zu merken. Ich pfiff noch einmal, und kurz bevor mein Vater und ich anfingen, den blöden Schafen das komplette »Leben des Brian« vorzuspielen, schoss ein dicker Strahl aus Fridas Euter. Paula war gerettet.
    Wieder zu Hause lief der Mutterinstinkt meiner Erzeugerin, den ich als Kind manchmal verschollen geglaubt hatte, bereits auf Hochtouren. Paula lag unter einer Decke und wurde mit Rotlicht bestrahlt, eigentlich fehlten nur Sklaven, die mit Palmenblättern wedelten. Die trüben Äuglein und die Kraftlosigkeit ihres Körpers machten keinen guten Eindruck, es war wohl höchste Zeit, ihr den Zaubertrank einzuträufeln. Gierig sog das Lamm innerhalb weniger Sekunden das Ergebnis unserer Bemühungen aus der Flasche, ich sah meinen Vater und mich schon ein zweites Mal einbrechen, um Nachschub zu besorgen.
    Es wurde ein Zimmer leer geräumt, Stroh ausgestreut, eine Schlafhütte gebaut – meine Eltern hätten wahrscheinlich noch einen Wellnessbereich mit Whirlpool eingerichtet, wenn es die baulichen Bedingungen erlaubt hätten. Das Lamm goutierte die Sonderbehandlung mit gepflegtem Desinteresse, für ein Tier, das sonst in der Scheißkälte auf dem Feld rumstand, war solcherlei Nichtbeachten doch etwas undankbar. Unsere Bemühungen zeigten jedoch Wirkung, denn Paula stand, nachdem wir sie abwechselnd im Minutentakt massiert, gebürstet und geknetet hatten, am kommenden Morgen zum ersten Mal auf.
    »Das ist ein großer Punkt in der Geschichte«, ließ sich mein ansonsten wenig zu Pathos neigender Vater hinreißen.
    Stimmt, die Erfindung des Rades, die Beherrschung des Feuers, Keilschrift und jetzt ein Lamm, das trotz Hüftdysplasie aufstand – das ist schon was, dachte ich und schlief fast im Stehen ein. Keiner hatte die Nacht über geschlafen, außer unserem Hund, dem es wahrscheinlich irgendwann langweilig geworden war, dabei zuzusehen, wie seine Herrchen da ein riesiges Buhei um ein Nutztier machten.
    Das einzige Zeichen von Wertschätzung, das uns Paula entgegenbrachte (außer zu überleben), war, dass sie nach drei Tagen gelernt hatte, nicht mehr in die Belüftungsschlitze der Bodenheizung zu scheißen. Das Haus roch inzwischen nach der Schambehaarung des Alm-Öhi.
    Auf der Arbeit wurde ich mittlerweile gemieden wie die Beulenpest und in der Tradition meines früheren Opfer-T-Shirts als Verräter und Dieb gebrandmarkt. Vielleicht waren sie sauer, weil ihnen ein hübsches Sümmchen vom Abdecker durch die Lappen gegangen war.
    Mein Chef sprach nicht mehr mit mir, Marcel auch nicht, was zumindest ein kleiner Pluspunkt war. Es waren ja immerhin noch zwei Monate, bis dieser Mist endlich hinter mir lag, ich zählte schon die Tage, bis ich endlich in die Freiheit des Studentendaseins entlassen werden würde. Die Versprechungen eines akademischen Lotterlebens warteten auf mich, bis in die Morgenstunden feiern, nachmittags

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