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Lehrerkind

Lehrerkind

Titel: Lehrerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastian Bielendorfer
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losfuhren, wurde mir klar, dass uns im Jetzt verband, was uns in der Vergangenheit getrennt hatte.
    Darüber mussten wir beide lachen.

Home is where the heart is
    Die Wintersonne schien höhnisch über den Ort meiner Jugend, die kleine Einbahnstraße, in der ich die Jahre meiner Kindheit zugebracht hatte, lag wie ein Zeugnis spießbürgerlicher Ödnis da. Die Straße bestand aus kleinen, verklinkerten Reihenhäusern, an deren Gartenzäunen die selbst getöpferten Namensschilder ihrer Bewohner hingen.
    Als wir die Einfahrt hinauffuhren, stand meine Mutter bereits vor dem Haus und winkte uns zu. Der verlorene Sohn kehrte heim. Ich kam mir vor, als würde ich als letzter Überlebender meiner Einheit aus einem verlorenen Krieg kommen, dabei waren die Gründe meiner Rückkehr in den Schoß der Familie viel profaner. Mein Job an der Pforte der Seminarbibliothek war mir nach der Exmatrikulation gestrichen worden, und nun durfte ich nicht mehr für 8,50 Euro Stundenlohn das Internet auswendig lernen und war pleite. Ich konnte mir meinen Teil der Miete nicht mehr leisten, Nadja anpumpen wollte ich nicht, und so war ich nun auf die Hilfe meiner Eltern angewiesen, während Nadjas Cousine aus Bayern in meinem Zimmer hauste und für ihre Aufnahmeprüfung an der Polizeischule täglich tausend Liegestütze machte. Nach diesem persönlichen Scheitern hatte ich mir ein ziemlich tiefes Loch aus Selbstvorwürfen und Depressionen gegraben, dessen Ausgang genau dort lag, wo ich mein Lehrerkinddasein begonnen hatte: in Gelsenkirchen. Und da ging ich nun hin, um meine Wunden zu lecken, mein Konto aufzufüllen und mich der Sinnsuche hinzugeben.
    Eigentlich hatte ich gehofft, meine Eltern würden für meinen Teil der Miete zeitweise einspringen, leider kam alles anders, als ich erwartet hatte, denn das Telefongespräch, das meinem Studienabbruch folgte, war in etwa so abgelaufen:
    Das leblose Rascheln der Telefonleitung, plötzlich ein dumpfes Piepen.
    »Mama, hallo?«
    »Jaaa?«
    »Ich hab das Studium abgebrochen …«
    »Ich hab’s dir doch gesagt!«, brüllte meine Mutter, sie klang wie eine menschliche Vuvuzela. »Ich hab’s dir doch gesagt, Rooobert, der Junge hat abgebrochen.«
    »Ich hab es doch gesagt«, gurrte mein Vater im Hintergrund. Hoffentlich stritten sie jetzt nicht, wer mein Versagen früher prophezeit hatte.
    »Und was machst du jetzt?«, fragte die Vuvuzela.
    »Na ja, ich denke, ich komm erst mal heim … die haben mir mit der Exmatrikulation auch meinen Job gekündigt«, säuselte ich. Nun würde der Teil des Gesprächs kommen, an dem sie mir finanzielle Unterstützung anboten.
    »Oh, okay, wann bist du da, Spätzchen?« Der Teil mit dem Angebot von Subventionen schien ihnen irgendwie nicht bekannt zu sein.
    »Äh, heute Nachmittag um vier bin ich am Bahnhof. Ich muss erst mal herausfinden, wie es jetzt weitergeht, vielleicht könnt ihr mir finanziell ein wenig aus der Patsche helfen?«
    »Ach ja, heut Nachmittag … mit dem Geld, na ja …«
    Plötzlich machte es einen lauten Knall, Hundegebell setzte ein, und meine Mutter brüllte wie ein Berserker »Adenauer …, Adorno«. Dann surrte mir das Rauschen der Telefonleitung entgegen. Aufgelegt.
    Wahrscheinlich hatte einer der Hunde, die so gut erzogen waren wie eine Bande brasilianischer Straßenkinder, vor dem Fenster etwas Katzenartiges gesehen (was meist nur ein Vogel oder ein wackelnder Busch war, die Hunde waren ziemlich dumm) und musste dies jetzt durch lautes Bellen und eine Neusortierung des Mobiliars bekannt geben. Meine Mutter verlor daraufhin wie immer die Beherrschung, ließ das schnurlose Telefon fallen und lief den Kötern im Garten hinterher.
     
    Beim Versuch, den Wagen in die Garage zu setzen, würgte mein Vater laut den Motor ab. Das Auto klang nach Jahren in der Habschaft meiner Eltern wie ein hundertjähriger Hamster mit Asthma.
    Meine Mutter nahm mich in den Arm, als hätten wir uns eine Ewigkeit nicht gesehen. Eigentlich stimmte das sogar, wir hatten uns eine Ewigkeit nicht gesehen, denn nach dem peinlichen Abendessen mit Nadja, bei dem meine Eltern alle Register der öffentlichen Demütigung gezogen und festgestellt hatten, dass ich und meine Freundin kreuzbiedere Spießer aus der bürgerlichen Mitte waren, während sie immer noch der revolutionäre Duft der Protestgeneration umgab, hatte ich mich rar gemacht. Ein paar Mal hatten wir uns in den letzten Monaten gesehen, und immer bestanden die Treffen daraus, dass ich von meinem

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