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Lehrerzimmer

Lehrerzimmer

Titel: Lehrerzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Orths
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fragend an: Wie, und dann? Ich: Ja, und dann? Er: Ach so, und dann. Es klingelte, er faltete seine Zeitung zusammen, nickte und stand auf.

6
    I ch brauchte die gesamte große Pause, um das Zimmer zu finden, in dem die Klasse 10d samt Horst Höllinger auf mich wartete, glücklicherweise hatte ich dies geahnt und mich rechtzeitig auf die Suche gemacht, sodass ich ohne Verspätung vor der geschlossenen Tür des Zimmers 203 stand, kurz das Buch öffnete, rasch durch die erste Seite hechelte, versuchte, die verschiedenen Übungstypen auseinander zu dividieren und herauszufinden, welche Übungen sich für welche Phase des Unterrichts eignen würden, dann klappte ich das Buch zu, schloss kurz die Augen, hustete mir den Druck von den Bronchien, griff zur Klinke und trat ein.
    Fünfundvierzig Minuten später ging ich den Gang zurück Richtung Lehrerzimmer, ich fühlte, wie mir Schweiß unter den Achseln klebte, mein Atem ging flach, aber die Erleichterung überwog, die erste Stunde hinter mich gebracht zu haben. Jetzt stand die Klasse 9a auf dem Plan, ich war sorgfältig vorbereitet, und gelassen wollte ich auf das zweite Läuten warten, als jemand auf mich zutrat. Im Überschwang sagte ich, Sie kenn ich doch, Herr Linnemann? Richtig, sagte Linnemann, wie war noch mal Ihr Name? Ich: Kranich, Englisch, Deutsch. Richtig, sagte Linnemann, Sie sind das. Sagen Sie, haben Sie nicht jetzt die 9a? Ja, sagte ich. Folgendes, sagte Linnemann, Sie sind doch in Zimmer 303? Ich: Ja. Er: Sehen Sie, das ist einer der beiden Räume, in denen ein Videogerät steht, und ich wollte heute mit meinen Elfern Video gucken, erster Schultag, die haben sowieso zu nichts Lust, was meinen Sie, können wir tauschen, ich meine die Räume? Kein Problem, antwortete ich, in welchem Raum sind Sie denn regulär? Sockelgeschoss SG 4, sagte Linnemann. Gut, sagte ich, dann gehe ich mit meiner Klasse einfach dahin. Ich danke Ihnen, sagte Linnemann und ließ mich stehen. Ich wollte gerade zwei Lehrerinnen zuhören, die redend neben mir standen, als der Göppinger Oberreferendar Kracht auf mich zutrat und sagte, tolles Kollegium, nicht? Ja, sagte ich. Fantastischer Direktor, sagte er. Kann man sagen, sagte ich. Tolle Atmosphäre, sagte er. Jawohl, sagte ich. Ob ich wüsste, wo die Projektoren stünden? fragte er mich. Nein, sagte ich, keine Ahnung. Ich schon, sagte er. Im Medienkeller, Medienwart ist Heiner Stramm, dort drüben sitzt er. Ach ja? sagte ich. Auf bald, sagte er. Auf bald, sagte ich. Dann klingelte es zum zweiten Mal. Ich stieg zunächst hoch ins dritte Stockwerk, betrat den Klassenraum, sagte meinen Schülern, wir müssten den Raum wechseln, wegen des Videorekorders. Gucken wir ’nen Film? schrien die Schüler. Nein, sagte ich, wir nicht, die andere Klasse. Ich fragte einen Schüler, ob er wisse, wo das SG 4 sei, er nickte, und ich sagte, er solle uns führen. Auf der Treppe war es inzwischen still geworden, die Klassen waren in ihren Räumen, nur Linnemanns Elfer kamen an uns vorbei, wir gucken den Anfang von Pulp Fiction , riefen sie meinen Schülern zu, echt, riefen die zurück, wir kommen mit. Nein, sagte ich und trieb die Schüler vor mir her hinunter ins Sockelgeschoss, wo ich beim SG 4 feststellen musste, dass mein Schlüssel C6 nicht ins Schlüsselloch passte, ich betrachtete das Schild vorm SG 4, es war der Physikraum, es passte also nur der Schlüssel C5. Ich bat die Schüler, still zu sein, und lief hoch ins Sekretariat. Einige Lehrer lümmelten vor der Theke herum, ich drängte mich zwischen sie und bat die zweite Sekretärin um den Schlüssel C5. Was C5 denn für ein Schlüssel sei? fragte die Sekretärin, sie habe da schon lange den Durchblick verloren. Physiksaal, sagte ich. Nein, für den Physiksaal habe sie keinen Schlüssel, sagte sie. Wie ich denn dann in den Physiksaal kommen könne? fragte ich. Was ich denn überhaupt im Physiksaal wolle? fragte sie zurück. Herr Linnemann und ich, sagte ich, hätten die Zimmer getauscht und … Warum ich dann nicht Herrn Linnemann fragte? Ich sah sie an, sie strahlte über ihren Einfall, ich nickte und verließ das Sekretariat, lief hoch ins dritte Stockwerk, klopfte, hörte die Eingangssequenz von Pulp Fiction , hörte Gelächter, klopfte lauter, niemand reagierte, ich betrat den Raum, alles dunkel, Herr Linnemann, rief ich, ja, rief Linnemann zurück, ich brauch Ihren Schlüssel, rief ich, welchen Schlüssel, rief Linnemann, den vom Physiksaal, rief ich, warum, rief er, weil ich nicht

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