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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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benutze ich auch das falsche Shampoo.» Ich ärgerte mich, denn nun musste ich mir einen Vortrag über Vitamine, Antioxidantien und sonstige Wirk-stoffe anhören. Ich hoffte inständig auf andere Kunden, damit die Verkäuferin von mir abließ. Meistens ging es mir gerade um-gekehrt: Die Verkäufer übersahen mich. Mitunter hatte ich mich schon für unsichtbar gehalten, weil ich an der Fleischtheke immer zehn Minuten warten musste, ehe sich jemand herabließ, mich zu bedienen.
    Schließlich entschied ich mich für ein Multivitaminpräparat und für Siliziumtabletten, die Haare und Haut stärken sollten.
    Beides war eigentlich viel zu teuer für mich. Es dämmerte schon, als ich auf der Landstraße zwischen Feldern nach Hause radel-te. Ein schlappohriger Hase konnte mir und dem hinter mir fah-renden Auto gerade noch ausweichen. Fast jedes Mal, wenn ich nach Helsinki fuhr, sah ich auf der Autobahn tote Hasen und Eichhörnchen liegen. Die Autofahrer versuchten nicht einmal zu bremsen.
    Im Briefkasten lag nur Reklame. Vor dem Haus roch es nach modrigem Laub: Die Treppe schien länger geworden zu sein, obwohl sie natürlich zwanzig Stufen hatte wie immer.
    Ich schloss auf. Niemand kam mir entgegen.
    «Sulo!», lockte ich und erwartete ein wütendes Miauen. Vielleicht hatte der Heizungsmann die Katze versehentlich im Bad eingesperrt.
    Kein Laut. Ich knipste das Licht an und rief noch einmal.
    Dann sah ich in der Sauna und im Kleiderschrank nach. Sulo war nirgends zu finden.
    Da bemerkte ich auf dem Küchentisch einen der Zettel, die ich aufgehängt hatte. «Die Mieze ist rausgeschlüpft», hatte jemand eilig darauf gekritzelt. Ich schluckte, meine Kehle fühlte sich plötzlich trocken an. Sulo draußen – wie lange schon? Seit Stunden. Ich nahm Mantel und Schlüssel, stürzte auf den Balkon. Keine Spur von Sulo.

    Ich ging auf sämtliche Höfe unserer Hausgemeinschaft und der Nachbarhäuser und rief nach der Katze, aber vergeblich. Ich fragte die Kinder auf dem Hof nach Sulo, aber niemand hatte etwas gesehen. Nach einer guten Stunde war ich so erschöpft von der Suche, dass ich aufgeben musste.
    Westlich von den Häusern lagen Felder, dahinter begann der Wald. Vielleicht war Sulo auf der Jagd nach Wühlmäusen. Ob er allein nach Hause finden würde? Er war es nicht gewohnt, frei herumzulaufen. An die Möglichkeit, dass er in Richtung Osten gerannt war, mochte ich gar nicht denken. Zweihundert Meter weiter verlief die stark befahrene Finnoontie, wenn er die zu überqueren versuchte, hatte er kaum Überlebenschancen.
    Ich holte Vanilleeis aus dem Gefrierschrank und zwang mich, davon zu essen, obwohl mir beim Schlucken der Hals wehtat.
    Nach ein paar Löffeln spürte ich, dass mich neben der Angst um Sulo rasende Wut überkam. Wie konnten die Männer vom Reparaturdienst trotz aller Warnungen die Katze entwischen lassen? Hatten sie es absichtlich getan, um mich zu ärgern?
    Als ich bei der Firma anrief, um nach der Nummer des Klempners zu fragen, lief nur ein Band mit der Handynummer des Schlüsseldienstes. Meine Strafpredigt musste bis morgen warten. Ich aß noch etwas Eis und eine Pirogge, die ich von der Arbeit mitgebracht hatte. Schließlich musste ich meine Energie-vorräte aufstocken, um weiterzusuchen. Der Gedanke, dass Sulo die Nacht im Freien verbrachte, von Füchsen, Eulen und betrunkenen Autofahrern bedroht, war unerträglich.
    Sulo trug in der Wohnung kein Halsband, weil ich Angst hatte, er könnte sich damit erdrosseln. Sollte ihn jemand finden, würde er also nicht wissen, wem die Katze gehörte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als in der Nachbarschaft Zettel auszuhängen. Entlaufen: Grau getigerter, einäugiger kastrierter Kater, hört auf den Namen Sulo. Wusste Sulo denn, wie er hieß? Ich war nicht sicher, ob er auf den Namen oder auf meine Stimme reagierte.
    «Einäugig» musste sein, obwohl es sich anhörte, als wäre Sulo irgendwie minderwertig. Meiner Meinung nach war er kein Stück schlechter als zweiäugige Katzen.
    Ich fügte Adresse und Telefonnummer hinzu und schrieb das Ganze zwanzigmal ab. Natürlich hätte ich zum Frauenhaus fahren und den Zettel kopieren können, aber ich wollte mich nicht weiter von der Wohnung entfernen als unbedingt nötig. Sulo konnte jederzeit miauend vor der Tür stehen.
    Mit einer Rolle Tesafilm und einer Heftmaschine bewaffnet ging ich nach draußen. Der Wind hatte aufgefrischt, er ließ die Fichtenhecke tanzen und heulte so laut im Weidengestrüpp am Feldrand, dass

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