Lehtolainen, Leena
Stammkundinnen gekommen; ihr Mann war Quartalssäufer, und sie flüchtete sich alle paar Monate ins Frauenhaus. Nüchtern war er ein ganz normaler Mann, in den ersten Tagen seiner Trinkphase verwandelte er sich in einen gewalttätigen Irren, dann war er fünf Tage lang das heulende Elend, bis er schließlich so deprimiert war, dass er eine Entziehungskur anfing. Die Kinder waren schon aus dem Haus, und die strenggläubige Ehefrau ergab sich in ihr Schicksal, solange sie in den Trinkphasen bei uns Zuflucht fand. Der Mann ging zwar zu den Anonymen Alkoholikern, schaffte es aber nicht, ganz trocken zu werden. Das Spiel ging schon seit Jahren so. Prügel hatte Enni Aalto schon seit langem nicht mehr erdulden müssen, denn sie war schlau genug, bei den ersten Anzeichen einer neuen Tobsuchtsphase wegzulaufen.
Mein Vater hatte die Angewohnheit gehabt, samstags abends nach der Sauna eine Flasche Schnaps zu leeren. Dann hatte er eine Weile mit Mutter oder uns Kindern geschimpft und war auf dem Sofa eingeschlafen. Wenn der Nachbar zu Besuch kam, gab es manchmal eine Prügelei. Einmal hatten wir die Polizei rufen müssen, und mein Vater hatte die Nacht in der Ausnüchterungs-zelle verbracht. Die soziale Schande war so schlimm gewesen, dass er danach monatelang keinen Tropfen anrührte. Aimo hatte von unserem Vater neben dem Hof auch die Trinkgewohnhei-ten geerbt. Vermutlich hatten es seine ersten beiden Frauen irgendwann satt gehabt, sonntags morgens zum Melken aufste-hen zu müssen, während der Bauer seinen Rausch ausschlief.
Ehefrau Nummer drei trank selbst tüchtig mit, wie ich von meiner Mutter wusste.
In der Welt, in der ich aufgewachsen war, galt es als akzep-tabel, seine Frau samstags abends oder nach einer Niederlage der eigenen Eishockeymannschaft zu verprügeln. Man witzelte darüber, die Frauen spielten ihre blauen Flecken herunter und beschimpften sich gegenseitig als Nörglerinnen. Als Kirsti vom Nachbarhof einmal besonders schlimm verprügelt wurde, schnaubte meine Mutter: «Kirsti meckert schon seit einem Jahr, dass Asko endlich das Garagendach reparieren soll. Da platzt auch dem geduldigsten Mann der Kragen.»
Das Partnergespräch mit den Leiwos verlief ungewöhnlich ruhig und kultiviert. Pasi Leiwo zeigte keine kriecherische Reue, sondern gab seine Fehler zu und erklärte, er wolle sie loswerden. Er hatte sich schon zu einem Kurs im Bogenschießen an-gemeldet, um seine Selbstbeherrschung zu trainieren, und au-
ßerdem seinem Arbeitgeber vorgeschlagen, ihn zu einem Kurs über Selbstmanagement zu schicken. Tiina versprach er einen Flitterurlaub auf einer Pazifikinsel, sobald es die berufliche Situation zuließ. Auf Paulis Vorschlag stellten die beiden ein Acht-Punkte-Programm auf, das ihnen helfen sollte, Gewalt zu vermeiden. Als Tiina den Raum verließ, um ihre Sachen zu holen, sagte Pauli, er wolle mit Pasi von Mann zu Mann sprechen. Fügsam ging ich auf den Flur, wo ich die Blumen goss und verwelk-te Blüten von den Begonien abzupfte. Das würde der Putzfrau die Arbeit erleichtern.
«Kommt zu Gesprächen hierher oder geht zur Eheberatung im Familienzentrum oder in der psychologischen Beratungsstelle», sagte ich zum Abschied. Ich sah den Leiwos an, dass sie meinem Rat nicht folgen würden. Jedenfalls nicht vor dem nächsten Mal.
«Findest du es vernünftig, sie gehen zu lassen, ohne Kontrollbesuche zu vereinbaren?», fragte ich Pauli, als die Leiwos das Haus verlassen hatten.
«Wir können niemanden zwingen! Wir gehen immer von unseren Klienten aus. Die Leiwos sind doch kluge junge Leute, wenn die Frau auch ein bisschen zu selbstbewusst ist. Der Mann hat das Gefühl, sich nur mit den Fäusten durchsetzen zu können.»
«Solche Leute darf man nicht einfach gehen lassen! Wir hätten mindestens Anzeige erstatten müssen!»
«Hör mal, Säde.» Pauli trat ganz nah an mich heran und legte die Hand auf meine Schulter. «Du führst dich in letzter Zeit so komisch auf. Ist die Arbeit zu belastend für dich? Vielleicht brauchst du Urlaub. Wenn du dir eine Weile freinehmen willst, werde ich mich dafür einsetzen.»
Ich hätte natürlich Ja sagen sollen. Das wäre in jeder Hinsicht vernünftig gewesen. Aber ich sagte Nein. Ich wollte nicht zu Hause bleiben, allein mit meinen Gedanken, die immer wieder im Kreis liefen. Außerdem hätte meine Mutter garantiert darauf bestanden, dass ich die Hälfte meines Urlaubs bei ihnen verbrachte. Nach der Hofübergabe hatten meine Eltern sich eine Zweizimmerwohnung in
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