Lehtolainen, Leena
Zug, sah mich abschätzend an und trank noch einen Schluck. Ich nahm ihm die Flasche weg, als wäre sie mein größter Schatz, wandte mich ab und tat, als ob ich trank. Im Wäldchen hinter dem Sportplatz bellte ein Hund. Ich musste rasch handeln, bevor uns jemand sah.
«Warum trinkst du hier ganz allein?» Sein Blick wanderte zu der Flasche in meiner Hand, obwohl er versuchte, mir ins Gesicht zu sehen. Anja hatte mir erzählt, Heikki wäre als kleines Kind so niedlich gewesen mit seinen großen braunen Augen, dass er ständig von fremden Tanten betatscht und abgeküsst wurde. Das war schwer zu glauben.
«Mein Herz ist zerbrochen. Mein Freund hat mich verlassen.»
«Komm mit zu mir, ich tröste dich.»
«Ich trau euch Männern nicht!» Ich steckte die Flasche in die Manteltasche und schlug den Pfad ein, der zur GSM-Station führte. Das Licht der Straßenlampe reichte gerade so weit, dass ich die richtige Abzweigung fand.
«Hey, Mädchen, wohin gehst du?», rief Heikki mir nach.
«Raus aus diesem widerlichen Schneeregen!»
Unter dem Sockel der Leitfunkstelle war eine Art Schutzdach.
Wenn man sich mit dem Rücken zum Wind stellte, peitschte einem der Regen nicht ins Gesicht. Ich hatte die Anziehungskraft des Schnapses richtig berechnet, Heikki trottete hinter mir her.
Wortlos bot ich ihm die Flasche an.
Die GSM-Leitfunkstelle war ein etwa dreißig Meter hoher, schmaler Turm mit dünnen Metallleitern. Im Licht der Warn-leuchte, die an der Spitze blinkte, sah ich auf halber Höhe zwischen den Leitern eine kleine, windumwehte Plattform. Allmählich gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit, ich konnte bereits einzelne Bäume und Zweige erkennen.
«Hör mal, gehn wir doch zu mir und trinken die Flasche aus, ich wohn hier in der Nähe. Da isses wärmer. Wie heißt du? Ich bin Heikki.»
«Krisse.»
Es war Zeit, wieder zu Kristiina Kirves Zuflucht zu nehmen, zu der Frau, die mit allem fertig wurde. «Ich geh nicht mit. Wer weiß, was du mit mir anstellst.» Ich nahm den Rucksack ab und steckte die Flasche hinein. Heikki verfolgte meine Bewegungen besorgt und mit gierigem Blick, die Flasche war noch mehr als halb voll. Ohne ein Wort zu sagen, fing ich an, die eisglatte Leiter hochzuklettern. Höhenangst hatte ich zum Glück nicht.
Heikki rief mir nach:
«Du bist ja wahnsinnig, was willst du denn da oben?»
Als ich die Plattform erreicht hatte, setzte ich mich hin, obwohl das Metall kalt war und der Turm wacklig zu sein schien.
Der Schneeregen fiel jetzt so dicht, dass die Straßenlampe vom Turm aus kaum zu sehen war. Ich holte die Flasche aus dem Rucksack.
«Kommst du runter, oder muss ich raufkommen?», rief Heikki halb scherzhaft, halb drohend. Ich hoffte, dass ihn keine Passanten hörten.
«Hier ist es schön, wie in einem Nest», jauchzte ich mit Klein-mädchenstimme und tat, als ob ich trank. «Die wird aber schnell leer.»
Das brachte Heikki dazu, sich in die Höhe zu wagen. Seine Schuhe waren glatter als meine, ich hörte, wie er abrutschte. Ein gutes Zeichen. Er schnaufte, als er sich endlich auf die Plattform zog, er war stärker betrunken, als ich gedacht hatte.
«So ein Quatsch! Gib mir wenigstens was zu trinken, wenn ich schon mal hochgeklettert bin!» Er setzte sich neben mich, ich musste näher an den Rand der Plattform rücken.
Ich ließ ihn einen Schluck trinken, bevor ich fragte: «Hast du eigentlich Kinder?»
«Spielt doch keine Rolle.» Heikkis Stimme klang mürrisch.
Ich musste gegen den Impuls ankämpfen, meiner gesunden Furcht nachzugeben und wegzurennen.
«Nun sag schon …» Ich bemühte mich um einen kindlich-quengelnden Tonfall.
«‘ne Tochter hab ich, aber die is bei meiner Ex.»
«Ich hätte so gern Kinder gehabt, aber als Make mich verlassen hat …» Ich wischte eine auf der Backe gelandete Schneeflocke ab, als wäre es eine Träne. «Ich muss mal pinkeln.»
Ich bückte mich, um die Flasche in den Rucksack zu stecken.
Da packte Heikki mich am Handgelenk.
«Verdammte Hüpfdrossel! Lass die Flasche und den Rucksack hier, dann kannst du besser klettern.»
«Nee, das tu ich nicht!» Ich versuchte mich loszureißen, aber er hielt mich mit eisernem Griff fest. Panik überfiel mich, ich reagierte instinktiv. Mit der freien Hand hielt ich mich an einem der Stahlträger fest und trat zu. Heikki ließ los.
«Du blöde Kuh!»
Obwohl ich das Gefühl hatte, mich nicht bewegen zu können, warf ich den Rucksack hinunter. Tastend setzte ich einen Fuß auf die Leiter, dann
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