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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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versuchte er mich zu überreden. «Ich verschaffe dir einen Gratisflug in den Süden, den bekomme ich vom Arbeitgeber als Bonus.»
    «Nichts zu machen.» Ich klickte den Sicherheitsgurt auf, öffnete die Tür, wünschte mit honigsüßer Stimme frohe Weihnachten und lief zur Bushaltestelle. Der Hundertfünfundneunzig A musste in fünf Minuten kommen, ich würde nicht lange im immer dichteren Schneeregen warten müssen.
    Wieder wartete ich vergeblich auf Triumphgefühle. Ich hatte mich noch nicht entschieden, ob ich Timo Takala verklagen wollte. Vielleicht war ein polizeiliches Verhör Strafe genug. Immerhin würde er lernen, dass ich kein Fußabtreter war.
    Der Busfahrer hatte das Radio voll aufgedreht, die Reportage vom Eishockey dröhnte durch den Bus, und ich ging ganz nach hinten, um dem Lärm zu entgehen. Auf halbem Weg hielt ich mich abrupt an der Stange fest, denn auf einmal wurden mir die Beine weich.
    Heikki Jokinen saß auf der Rückbank.
    Das war ein Wink des Schicksals: Ich sollte Heikki erledigen.
    Ich hatte den Schnaps immer noch in der Tasche, der Köder war also bereit. Der Bus fuhr nicht an Heikkis Wohnung vorbei, er musste durch den Wald gehen, um nach Hause zu kommen.
    Vielleicht war das meine Chance.
    Für einen Augenblick überlegte ich, ihn anzusprechen und zu mir nach Hause einzuladen, aber ich verwarf die Idee, es war zu gefährlich. Schließlich konnte ich ihn nicht in meiner Wohnung umbringen. Es war Viertel nach neun, die meisten Leute hatten ihren Hund um diese Zeit schon ausgeführt. Wenn es mir gelang, Heikki in den Wald zu locken …
    Ich spürte, wie mein Adrenalinspiegel stieg. So musste sich ein Sportler fühlen, wenn er sich an der Startlinie bereit machte, um für eine olympische Medaille zu kämpfen. Der Rest der Welt rückte in den Hintergrund, das eigene Ziel beherrschte alle Gedanken. Ich entdeckte keine Nachbarn im Bus, es würde sich also niemand wundern, wenn ich nicht an meiner Straßenecke abbog, sondern weiterging, auf das Waldstück zu, das nach Eestinkallio führte.
    Heikki und ich waren die Einzigen, die an der Kreuzung der Finnoontie ausstiegen. Er nahm den hinteren Ausstieg, ich den mittleren. Als wir an der Ampel warteten, nahm ich Biergeruch wahr und bemerkte ein leises Schwanken. Heikki war betrunken. Umso besser für mich.
    Ich ärgerte mich, dass ich den neuen roten Mantel trug, der eventuellen Passanten auffallen konnte. Jetzt könnte ich meine ehemalige Unsichtbarkeit brauchen. Ich band mir den Schal um den Kopf und nahm die Brille ab. Es ging auch ohne Brille, nur die ersten Minuten war ich halb blind. Ich beschleunigte meine Schritte, bei diesem Schneeregen würde das niemand wundern.
    Heikki blieb bald zurück, genau wie ich erhofft hatte. Ich ging an unserem Block vorbei und sah mich verstohlen um. Heikki ging mit den müden Schritten des Betrunkenen etwa zwanzig Meter hinter mir.
    Es kamen nur ein paar Leute entgegen, die rasch ihren Hund ausführten. Während ich den Hügel hinaufging, hakte ich in Gedanken den Inhalt meines Rucksacks ab. Neben der Schnapsflasche konnte ich auch den zusammengeklappten No-tenständer als Schlagwaffe verwenden. Andererseits hatte Heikki womöglich ein Messer, seine Mutter hatte er damit oft bedroht. Von einer Schusswaffe hatte Anja nie gesprochen.
    Bei dem raschen Anstieg kam ich ins Schwitzen. Als ich unter der immer noch nicht reparierten Straßenlampe anhielt, hätte ich am liebsten den Mantel aufgeknöpft. Ich nahm die Schnapsflasche aus dem Rucksack, goss einen Schluck auf die Erde und befeuchtete meine Lippen, damit mein Atem nach Alkohol roch.
    Der Geschmack war gleichzeitig stark und süßlich, ich konnte mich nicht entsinnen, jemals Schnaps pur getrunken zu haben.
    Ich wagte nicht, mehr zu trinken, denn ich benötigte bei meinem irrsinnigen Vorhaben alle Kräfte. Als ich den GSM-Sendemast betrachtete, der aus dem Wäldchen aufragte, bildete sich allmählich ein Plan.
    Ich ging langsam auf die Stelle zu, an der sich Licht und Dunkelheit trafen. Dort angekommen, hob ich wieder die Flasche an den Mund. Der Schneeregen dämpfte alle Geräusche, ich hörte Heikkis Schritte erst, als er nur noch einige Meter von mir entfernt war.
    «Hey, Kleine. Gib mir auch ‘n Schluck!»
    Ich blickte auf, sah Heikkis aufgedunsenes Säufergesicht, die Mütze mit dem Emblem der Eishockeymannschaft von Espoo und die schäbige Steppjacke.
    «Warum nicht.» Ich gab ihm die Flasche, den Verschluss behielt ich. Heikki nahm einen ordentlichen

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