Lehtolainen, Leena
Eija mit einer selbst gehäkelten Borte und meinen Initialen SV verziert hatte.
Die Kinder hatten eine kleine Tafel Schokolade dazugelegt.
Aimo und seine Familie schenkten mir den neuesten Roman von Laila Hietamies und ein besticktes Deckchen, das das älteste Kind in der Schule angefertigt hatte, von Reima und Tupu bekam ich Mütze, Schal und Handschuhe aus grauer Wolle, dem Aussehen nach in Tallinn gekauft. Meine Patentante schickte ihr traditionelles Weihnachtsgeschenk, die Losungen für das kommende Jahr.
Nun waren die Geschenke der Kollegen an der Reihe. Maisa hatte ein wunderschönes Seidentuch gemalt, orangerot mit strahlenförmigem gelbem Muster. Von Minna bekam ich feines selbst gemachtes Konfekt, von Pauli einen der kleinen Vögel, die zugunsten der Jugendarbeit der Gemeinde verkauft wurden. Ich reichte ihn an Sulo weiter. Über Lailas Geschenk musste ich laut lachen. Es waren silberne Ohrringe, an denen kleine Hämmerchen baumelten. Ich nahm mir vor, mir gleich nach Weihnachten Löcher stechen zu lassen, und fragte mich, wieso ich das nicht längst getan hatte.
Kalles Päckchen hatte ich mir bis zuletzt aufgehoben. Ich befühlte das dunkelgrüne, mit goldenen Girlanden bedruckte Papier, als suchte ich nach Kalles Berührung, dann packte ich das Geschenk vorsichtig aus. Es war ein Weidenkorb, gefüllt mit je einer Flasche Weiß- und Rotwein, zwei Weingläsern, einem soliden Korkenzieher, einem speziellen Verschluss, der verhin-derte, dass der Wein in der geöffneten Flasche schlecht wurde, einem Päckchen Salzgebäck, einer Dose schwarze Oliven mit Kern und einer großen Schachtel Pralinen. Ganz zuunterst lagen Picknickbesteck und ein rot kariertes Wachstuch. Unter dem Weihnachtsgruß auf der Karte stand: «Im Winter kann man zum Beispiel auf dem Fußboden im Wohnzimmer pick-nicken.»
Den Rest des Abends sah ich fern und las zerstreut in dem Buch, das ich geschenkt bekommen hatte. Zwischendurch überlegte ich, ob Kalle am Silvesterabend schon etwas vorhatte oder ob ich ihn zum Picknick einladen konnte. Als ich endlich im Bett lag und langsam in den Schlaf hinüberdriftete, sagte ich mir, dass ich noch nie im Leben so schöne Weihnachtsgeschenke bekommen hatte.
Am ersten Feiertag schlief ich bis gegen Mittag. Ich schaltete das Radio ein, damit ich beim Frühstück Unterhaltung hatte, zufällig war der Lokalsender eingestellt. Als ich mir gerade die zweite Tasse Kaffee eingeschenkt hatte, kamen die Nachrichten.
Meine Hand, die die Tasse zum Mund führte, erstarrte mitten in der Bewegung, als ich hörte, dass man in Eestinkallio die Leiche eines unbekannten Mannes gefunden hatte.
Vierzehn
Vierzehn
Ich musste zum Dienst. Es regnete nicht mehr, aber über Nacht hatte der Regen den Schnee fast völlig weggespült, und die Temperatur lag immer noch einige Grad über null. Also nahm ich das Fahrrad und rief unterwegs von einer Telefonzelle aus bei Heikki Jokinen an. Wieder keine Antwort.
Auf dem Rest der Strecke versuchte ich mich zu beruhigen.
Es musste nicht Heikki sein, den man gefunden hatte. Jeder Erwachsene trug ja wohl irgendetwas bei sich, womit man ihn identifizieren konnte: Monatskarte, Führerschein, Versicherten-karte. Und warum hätte man Heikki erst jetzt finden sollen, zwei Wochen nach seinem Sturz? Der Tote musste jemand anderes sein.
Wie ich mir gedacht hatte, war der Schutzhafen voller alter und neuer Klientinnen. Unser jüngster Neuzugang war ein drei Wochen altes Baby, das nach Milch und säuerlichem Kot roch.
Seine Mutter war erst neunzehn. Das erste gemeinsame Weih-nachtsfest mit dem Vater des Kindes war in eine Prügelei ausgeartet, weil das junge Paar sich nicht einigen konnte, ob die Bescherung vor oder nach dem Essen stattfinden sollte. Eine Klientin blockierte die Toilette in der oberen Etage, sie musste sich ständig übergeben und hatte offensichtlich einen fürchter-lichen Kater. Am meisten Sorge bereitete mir ein spindeldürres Mädchen namens Jonna, dem irgendwer das Gesicht blutig geschlagen und den kleinen Finger der linken Hand gebrochen hatte. Ich war sicher, dass sie Drogen nahm, und das bedeutete Ärger.
Die Hektik hinderte mich daran, an die Leiche in Eestinkallio zu denken. Trotzdem waren meine Nerven die ganze Zeit ange-spannt, es konnte noch Tage dauern, bevor ich erfuhr, ob der Tote Heikki war.
Kalle und Anja wollten am Sonntag aus Hamina zurückkommen. Wenn es sich bei der Leiche wirklich um Heikki handelte, würde ich es von Kalle erfahren. Bis dahin
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