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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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in Schwierigkeiten gebracht. Sie hatte Kaarlo nichts von Heikkis Gewalttätigkeit erzählt, weil sie fürchtete, er würde wieder die Beherrschung verlieren. Und dann ging sie hin und erzählte es der Polizei … Nur dank meiner jahrelangen Übung im Verheimlichen von Gefühlen brüllte ich Anja nicht an. Stattdessen sagte ich so beruhigend wie möglich:
    «Kalle hat Heikki nicht umgebracht, das steht fest. Er wusste doch gar nicht, was Heikki mit dir gemacht hat.»
    «Na ja … Ich war ziemlich durcheinander, als die Polizei hier war. Vielleicht haben sie einen falschen Eindruck bekommen.
    Ich kann mich nicht mal erinnern, was ich gesagt habe, es ist alles so schrecklich …»
    «Erinnerst du dich an die Namen der Polizisten? Hast du ein Protokoll unterschrieben?»
    «Sie haben keins gemacht. Der eine war so ein blonder junger Mann, die andere eine Frau, die aussah wie eine Chinesin.
    Ich hab erst gar nicht glauben wollen, dass sie auch Polizistin ist.»
    Offensichtlich waren Koivu und Wang für die Ermittlungen über Heikkis Tod zuständig. Ich versuchte herauszubekommen, was die Polizisten sonst noch gesagt hatten, aber Anja erinnerte sich nur an ihre eigene Trauer und ihr Entsetzen.
    «Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du es nicht alleine aushältst», versicherte ich ihr. «Meine Büronummer hast du doch?»
    Als ich den Hörer auflegte, merkte ich, dass ich die Schnur beim Sprechen zu einem dicken Knoten gewickelt hatte. Gerade als ich das Gewirr aufgedröselt hatte, klingelte das Telefon.
    «Kriminalhauptmeister Pekka Koivu, Polizei Espoo, guten Tag.»
    Meine erster Impuls war: Flucht. Mit dem Taxi zum Flugha-fen, das Konto leer räumen und ein Ticket kaufen, irgendwohin.
    Nur der Gedanke an Sulo hielt mich zurück. Mir ging erstaunlich viel durch den Kopf in den zwei Sekunden, die ich brauchte, um Koivus Gruß zu erwidern.
    «Wir untersuchen den Tod eines Mannes namens Heikki Jokinen und würden in diesem Zusammenhang gern mit Ihnen sprechen.»
    Man hatte mich mit Heikki gesehen. Aber wie hatten sie so schnell herausgefunden, wer ich war? War der Zeuge einer meiner Nachbarn?
    «Wäre es Ihnen recht, am nächsten Montag, dem vierten Januar, um vierzehn Uhr zur Vernehmung zu kommen?»
    Erst am Montag? Dann hatte die Polizei keine handfesten Beweise gegen mich. In der Nacht von Sonntag auf Montag hatte ich Dienst, würde also nur ein paar Stunden schlafen können.
    Schoben sie meine Vernehmung so lange auf, um weiteres Be-weismaterial zu sammeln?
    «Ja, das ist mir recht», antwortete ich und fuhr in möglichst harmlosem Ton fort: «Ich weiß, wer Heikki Jokinen war, und ich weiß, dass er tot ist, aber ich verstehe nicht, was ich damit zu tun habe.»
    «Das wird sich am Montag alles klären», sagte Koivu unver-bindlich, fügte dann aber deutlich freundlicher hinzu: «Um zwei Uhr also. Fragen Sie am Eingang nach Kriminalhauptmeister Koivu vom Gewaltdezernat. Einen guten Rutsch!»
    «Danke gleichfalls!»
    Sollte ich einen Anwalt einschalten? Es wäre vielleicht er-leichternd, jemandem zu erzählen, was ich getan hatte und warum. Da ich keine Ahnung hatte, an wen ich mich wenden sollte, verwarf ich den Gedanken. Zwar hatte ich beruflich einige An-wälte kennen gelernt, aber mit keinem von ihnen hätte ich über private Dinge sprechen mögen. Es wurde ohnehin Zeit, aufzu-brechen. Sulo schlief auf meinem Bett, genau unter der Leselampe. Ich brachte es nicht übers Herz, die Lampe auszuknip-sen, denn ich wusste, wie sehr er es genoss, sich in der Wärme zu aalen.
    Im Schutzhafen ging es an diesem Abend so hektisch zu wie erwartet. Zum ersten Mal seit Tagen arbeiteten Maisa und ich in der gleichen Schicht. Sie berichtete, Jonna sei über Silvester zu ihren Verwandten nach Peräseinäjoki gefahren, wo sie sich vor ihrem Zuhälter sicher fühlte.
    «Aus der Anzeige ist letzten Endes nichts geworden, weil Jonna Angst hatte, wegen Drogenbesitz und -konsum angeklagt zu werden. Sie versucht allen Ernstes, vom Heroin wegzukommen, deshalb ist sie wohl auch in eine Gegend gefahren, in der der Stoff nicht so leicht aufzutreiben ist.»
    «Glaubst du, sie schafft das ganz allein?»
    Maisa schüttelte den Kopf: «Nein, aber ich hoffe es. Wir haben einen Termin bei der psychologischen Beratungsstelle vereinbart. Das Mädchen ist völlig kaputt. Hast du übrigens in der Zeitung gelesen, dass Anja Jokinens Sohn, der Saufbold, irgendwo im Wald tot aufgefunden worden ist? Das Schicksal regelt die Angelegenheiten unserer

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