Lehtolainen, Leena
überlegten gemeinsam, was es zu den Frikadellen geben sollte: Kartoffelbrei, Gurkensa-lat, Kopfsalat und Pfeffersoße. In der Schule hatten wir in der Hauswirtschaftsstunde einmal ein orientalisches Nudelgericht gekocht. Ich beschloss, meine Familie zu überraschen, und kochte das Rezept zu Hause nach. Mein Vater und meine Brüder blickten völlig konsterniert auf ihre Teller, als sie in der Fleisch-soße Apfelstückchen und Rosinen entdeckten.
«Wenn Liebe durch den Magen geht, bleibt Säde auch dieser Weg versperrt», hatte mein Vater mit düsterer Stimme gesagt.
Seither hatte ich brav nach Mutters Rezepten gekocht.
Die Frikadellen standen schon seit einer Stunde auf dem Tisch, als Kalle endlich kam. Er sah erschöpft und furchtsam aus, sein Versuch zu lächeln scheiterte kläglich.
«Ich habe nicht angerufen, weil es so schwierig war, ein Telefon zu finden. Es hat länger gedauert, ich musste in die Klinik, um die Leiche zu identifizieren.» Kalle nahm seine zitternde Mutter in die Arme, bevor er fortfuhr: «Es ist Heikki.»
Anja maunzte wie eine Katze, die sich die Pfote verletzt hat, dann fing sie an zu weinen, so leise, wie ein Mensch weint, der seine Tränen jahrelang verbergen musste. Kalle führte sie zum Sofa und sah sich suchend um, ich begriff und holte eine Rolle Küchentücher aus der Küche.
«Was haben sie gesagt?», brachte Anja schließlich heraus.
«Sie haben hauptsächlich Fragen gestellt. Irgendein Hunde-besitzer hat Heikki in Eestinkallio im Wald gefunden. Kriminalhauptmeister Koivu hat nichts über die Todesursache gesagt, nur dass Heikki mehrere Tage im Wald gelegen hat. Er schien nicht besonders erfreut darüber zu sein, dass ich in Heikkis Wohnung gewesen bin. Ich habe ihm den Schlüssel gegeben, sie gehen heute noch hin. Dich werden sie sicher auch noch vernehmen, Mutter.»
«Aber ich weiß doch gar nichts!»
«Das gehört zur Routine», sagte ich beruhigend und dachte an die allmählich eintrocknende Soße und den kalt gewordenen Kartoffelbrei. Kalle hatte bestimmt keinen Appetit.
«Hat sich Heikki verletzt, als er betrunken war, oder war es sein Herz …», setzte Anja an. Dann weinte sie heftiger, und zwischen den einzelnen Schluchzern stieß sie hervor: «Er wird sich doch nicht selbst …»
«Hat Heikki mit Selbstmord gedroht?», fragte ich begierig.
Das war meine Chance. Wenn wir die Polizei davon überzeugen konnten, dass Heikki im Suff vom Turm gesprungen war, würde sie nicht nach einem Mörder suchen.
Anja schluchzte eine ganze Weile, bevor sie antworten konnte: «Er hat ziemlich oft gesagt, dass er stirbt, wenn er nicht bald was zu trinken kriegt. Er hat gedroht, sich aufzuhängen. Da hab ich ihm dann Geld gegeben …» Sie fing wieder an zu weinen, ich ging in die Küche und schaltete die Platte unter dem Soßentopf aus. Kalle schnüffelte wie ein Hund, der Beute wittert, und sagte gewollt munter:
«Mutter, hast du etwa mein Leibgericht gekocht? Ich rieche Frikadellen mit viel Zwiebeln. Vielleicht sollten wir alle etwas essen, damit wir zu Kräften kommen?» Er warf mir einen bit-tenden Blick zu. Ich kümmerte mich um das Essen, und nachdem ich den Tisch gedeckt hatte, wollte ich nach Hause gehen.
«Bleib doch zum Essen», sagte Kalle so flehentlich, dass ich es nicht fertig brachte, ihn zu enttäuschen. Viel brachten wir allerdings nicht herunter, obwohl die Frikadellen wirklich gut schmeckten.
«Mutter, kommst du einen Moment allein zurecht, während ich Säde nach Hause fahre und meinen Schlafanzug hole?», fragte Kalle. Anja wollte nicht allein gelassen werden, sie kam mit und erzählte unterwegs, wie Heikki als kleiner Junge gewesen war: wie er versucht hatte, der Katze das Schwimmen bei-zubringen, wie er mit Kalles Fahrrad gestürzt war und es dabei kaputtgemacht hatte. Ich saß hinten und konnte Kalles Gesicht nicht sehen, ich wollte es auch nicht sehen.
Vor dem Haus umarmte Kalle mich kurz, aber so fest, dass ich kaum Luft bekam. Ich versuchte, die Hausarbeit zu erledigen: Staub saugen, Bügeln, Bettwäsche waschen, aber meine Arme waren zu schwach, um den Staubsauger aus dem Schlafzimmer in die Küche zu ziehen, und das Bügeleisen brannte mir ein dreieckiges Mal auf den Daumen. So kauerte ich mich schließ-
lich aufs Sofa und sah mir den «Vagabundenwalzer» an und gleich danach «Die angebliche Ehefrau». Ohne Tauno Palos Filme hätte ich den Abend nicht überstanden.
Am nächsten Morgen stand es in der Zeitung: Der Tote von Eestinkallio war Heikki
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