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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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Jokinen. Wer ihn um den zehnten Dezember herum gesehen hatte, wurde gebeten, sich mit der Polizei in Verbindung zu setzen. Neben dem Text war ein Foto von Heikki abgedruckt. Ob sich von denen, die an jenem Abend im Bus einhundertfünfundneunzig A gesessen hatten, noch jemand an Heikki erinnerte? Und an die Frau im roten Mantel, die an derselben Haltestelle ausgestiegen war?
    Im Schutzhafen redeten alle über den Toten, und da Anja meine Klientin gewesen war, konnte ich mich nicht gut heraushal-ten. Allerdings behielt ich für mich, dass ich Anja am Vortag getroffen hatte, denn sonst hätte ich auch erzählen müssen, dass ich mit Kalle befreundet war.
    «Die Sache betrifft uns doch gar nicht. Anja hat nie Anzeige erstattet», sagte Pauli schließlich, als Maisa und Minna überlegten, ob die Mitarbeiter des Schutzhafens sich mit der Polizei in Verbindung setzen sollten.
    «Ich habe mit Jonna abgemacht, dass ich sie morgen aufs Revier begleite», sagte Maisa mit fester Stimme. Das rauschgift-süchtige Mädchen beschaffte sich das Geld für ihre Drogen durch Prostitution. Ihr Zuhälter und Dealer hatte sie zusam-mengeschlagen, weil sie sich den Heiligabend freinehmen wollte, ausgerechnet an dem Tag, wo am meisten liebesbedürftige Männer unterwegs sind.
    Als ich nach Hause kam, legte ich alles für einen Abend vor dem Fernseher bereit. Ich wollte meine Sorgen wieder in Tauno Palos Lächeln ertränken. Vorher musste ich aber noch Sulos Katzenklo und den überquellenden Papierkorb ausleeren. Als ich gerade den Abfall zur Mülltonne tragen wollte, sah ich einen Transportwagen der Polizei auf unseren Hof einbiegen. Ich rannte zurück in meine Wohnung und spähte hinter der Gardine nach draußen. Tränen rannen mir über das Gesicht, als ich begriff, dass jetzt alles aus war.
    Das Polizeifahrzeug hielt mitten auf dem Hof. Ich erkannte die beiden Polizisten, die ausstiegen, es waren die Kriminalmeister Anu Wang und Pekka Koivu. Wang las irgendetwas von ihrem Notizblock ab, Koivu nahm die Handschellen hervor.

    Glaubten sie etwa, ich hätte die Kraft, bei der Verhaftung Widerstand zu leisten?
    Doch die beiden kamen nicht an meine Wohnungstür, sondern marschierten ans andere Ende des Hauses. Von meinem Fenster aus konnte ich nicht sehen, wo sie klingelten, aber als sie zurückkamen, ging Kalle mit gesenktem Kopf zwischen ihnen. Er blickte kurz zu meinem Fenster hoch, während Koivu aufschloss, dann verschwand er im Wagen.

    Fünfzehn
    Fünfzehn

    Mein erster Gedanke war, auf den Hof zu rennen und Koivu und Wang zu sagen, dass sie auf der falschen Spur waren. Aber ich war feige, ich blieb am Fenster stehen und starrte dem Polizei-wagen nach, der langsam vom Hof rollte. Blaulicht und Sirene blieben ausgeschaltet, sie hatten keine Eile, der Verhaftete hatte sich ja ohne Widerstand abführen lassen.
    Natürlich lag es nahe, Kalle zu verdächtigen, Heikki umgebracht zu haben. Auch das Motiv lag auf der Hand, dasselbe wie bei seinem Vater. Die Polizei hatte nur das Strafregister von Heikki Jokinens Angehörigen zu überprüfen, und schon hatten sie einen Tatverdächtigen. Aber woher wussten sie, dass auch Heikki Anja verprügelt hatte? Hatten sie im Schutzhafen nach-gefragt? War Anja schon vernommen worden?
    Eine Weile stand ich zögernd vor dem Telefon, aber ich brachte es nicht fertig, Anja anzurufen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als abzuwarten. Ich hoffte, dass Kalle für den Abend, an dem Heikki gestorben war, ein Alibi hatte. Vielleicht war er mit dem Bücherbus unterwegs gewesen oder hatte einen Freund besucht. Aber wusste die Polizei denn überhaupt, wann Heikki gestorben war? Wie genau konnte der Pathologe die Todeszeit festlegen, nachdem die Leiche wochenlang im Wald gelegen hatte?
    Jetzt konnte mir nicht einmal Tauno Palo helfen. Ich wanderte ziellos in meiner kleinen Wohnung herum, einmal nahm ich Sulo auf den Arm und drückte ihn so fest an mich, dass er vor Schmerz laut maunzte. Es war völlig undenkbar, ohne Tabletten Schlaf zu finden. Ich stand vor dem Arzneischränkchen, nahm eine Schachtel nach der anderen heraus. Es kam mir plötzlich überraschend schwer vor, mit Medikamenten Selbstmord zu begehen. Was sollte aus Sulo werden? Ich konnte ihn nicht einfach im Stich lassen.
    Also nahm ich nur eine Schlaftablette. In den ersten Morgen-stunden schlief ich immer unruhiger, erwachte durstig, trank etwas und schlief wieder ein. Im Traum war ich wieder Kind, ich lief den Pfad zum See hinunter, in dem meine Brüder

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