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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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Scheck. Fünfundzwanzigtausend Mark. Nach ihrem Aufschrei zu schließen, hatte Katja dasselbe bekommen.
    Sie umarmte Mutter, ich klopfte ihr lediglich auf die Schulter.
    »Eigentlich ist das von Oma«, sagte Mutter verlegen.
    »Ist denn für dich überhaupt noch was übrig geblieben?«, fragte Katja nach einer Weile.
    »Ungefähr vierzigtausend. Ich werde einen Teil in Renten-fonds anlegen und im Februar in den Süden fahren, nach Kreta.
    Wir sind immer so arm gewesen … Nie habe ich euch etwas Größeres schenken können … Ich konnte ja nicht einmal Kaitsu beim Konkurs unter die Arme greifen …« Sie fing an zu weinen.

    Katja nahm sie wieder in die Arme, während Veikko seine Kognakflasche entkorkte und uns fragend ansah. Lange würde der Inhalt sicher nicht vorhalten.
    »Ach, Mutter, jetzt kann ich mir endlich eine ordentliche Gitarre kaufen«, jubelte Katja. Ob ich das Geld wohl schwarz verbuchen konnte? Wenn ich es offiziell angab, musste ich davon meine Konkursschulden bezahlen.
    »Geld ist etwas Wundervolles«, murmelte Veikko dicht an meinem Ohr. »Ich habe Sirkka geraten, dir einen Scheck zu geben, statt die Summe zu überweisen. Sonst stellt noch jemand dumme Fragen. Am besten tust du es nicht auf dein Konto.
    Möchtest du einen Kognak?«
    »Danke«, sagte ich und meinte nicht nur den Kognak. Mutter war hoffnungslos gesetzestreu, Veikko hatte sicher lange auf sie einreden müssen, bevor sie bereit war, uns das Geld unter der Hand zu geben. Nach dem ersten Schluck Kognak fühlte ich mich endgültig wohl. Sogar Sara erschien mir ganz nett, solange sie den Mund hielt.
    Plötzlich ertappte ich mich bei dem Gedanken, wie es wohl sein mochte, Weihnachten im Gefängnis zu verbringen. Wahrscheinlich bekamen die meisten über die Feiertage Hafturlaub, in Finnland wurden Gefangene viel zu sanft behandelt. Mein Onkel Rane hatte vor seinem Selbstmord einmal Weihnachten im Knast erlebt. Als ich die Augen schloss, sah ich sein stumpfsinniges Gesicht vor mir, das meinem so ähnlich sah.
    Dabei wollte ich gar nichts von ihm wissen. Ich dachte an meinen Vater. Ich konnte mir gut vorstellen, einen Hammer auf seinen Schädel sausen zu lassen, wenn er die Frechheit haben sollte, mir unter die Augen zu treten. Mein Puls raste, ich atmete tief durch und versuchte, mich zu entspannen.
    »Was kommt denn im Fernsehen?«, fragte ich, und Katja schaltete die Glotze ein. Beim Gucken brauchte man wenigstens nicht zu reden. Gegen Mitternacht wollte Sara nach Hause.

    »Wir können uns das Taxi teilen, Katja«, meinte sie.
    »Katja bleibt hier, immerhin ist Weihnachten«, sagte Mutter bestimmt. Katja nickte. Sie hatte ungefähr die Hälfte von der Schokoladentorte gegessen und wirkte schläfrig.
    Sara versuchte eine halbe Stunde lang vergeblich, ein Taxi zu bekommen. An Weihnachten fuhr niemand gern.
    »Ich muss unbedingt nach Hause!« Ihre Stimme klang derart hysterisch, dass mir der Verdacht kam, sie habe vergessen, ihre Tabletten mitzubringen.
    »Du kannst dir ja Sirkkas Fahrrad leihen«, schlug Veikko vor.
    »Kaitsu, wo ist dein Wagen?«, fragte Sara.
    »Im Einsatz«, log Mutter. Sie wusste genau, dass ich den Wagen vor dem Haus abgestellt hatte, nachdem ich Veikko und den Baum geholt hatte.
    »Für dreihundert Mark fahr ich dich.«
    »Kaitsu, du hast getrunken!«, rief Mutter.
    »Aber nur ganz wenig. Davon schlägt der Zeiger kaum aus.«
    Ich hatte nur zwei Flaschen Bier und ein Glas Kognak getrunken und fühlte mich blendend.
    »Dreihundert?«, fragte Sara.
    »Ja. Im Voraus.« Ich streckte die Hand aus.
    »Ich hab kein Geld dabei.«
    »Dann halten wir am Automaten beim ›Big Apple‹.«
    Sara starrte mich eine Weile an, als sei ich eine Schlange, die sie beschwören musste, dann nickte sie. Mutter versuchte vergebens, uns aufzuhalten.
    Draußen war es neblig und ruhig. Ich nahm das Taxischild ab.
    Beim ›Big Apple‹ war niemand zu sehen. Nachdem Sara mir mein Geld gegeben hatte, lenkte ich den Wagen auf den Westring.

    Ich mochte die nächtliche Stadt, so wie sie jetzt war, dunkel und ruhig. Sara quasselte pausenlos, aber im Auto fiel es mir leichter, ihre Stimme an mir vorbeirauschen zu lassen. Sie war nur ein Fahrgast, eine der verzweifelten Frauen, die weder den Barkeeper noch den Türsteher rumgekriegt haben und es zum Schluss noch beim Taxifahrer probieren. Ob sie auch beim Vögeln die ganze Zeit redete? Perverse gab es genug, warum nicht auch solche, die sich an einer unaufhörlich redenden Verrückten aufgeilten.
    Ich

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