Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
Vom Netzwerk:
hatte, sie wäre ekelhaft fett geworden, verschwieg ich. Kann so eine Bemerkung Bulimie auslösen?
    Das angenehme Gefühl war verschwunden, hoffentlich brachten Kaffee und Schokoladentorte es zurück. Mutter hatte unbedingt eine Torte zu Weihnachten backen wollen, obwohl eigentlich alle zu satt waren, um davon zu essen. Ich stellte die Kaffeetassen auf ein Tablett und brachte sie ins Wohnzimmer.
    An Mutters Stimme erkannte ich, dass die Unterhaltung einen unangenehmen Verlauf genommen hatte.
    »Kein Wort war gelogen, ich habe nur erzählt, was ich empfunden habe!«, rief Sara mit schriller Stimme. »Bei jeder Therapie wird man aufgefordert, seinen Gefühlen offen zu begegnen, und ich hatte damals das Gefühl, Mauri und ich wären füreinander geschaffen. Wir standen doch völlig im Bann unserer Leidenschaft …«
    »Müsst ihr uns allen das Weihnachtsfest verderben?«, hörte ich Veikkos Stimme.
    »Verderben, verderben! Du wirst allmählich genauso heuchle-risch wie unsere Mutter! Warum sollen wir die Dinge nicht endlich mal beim Namen nennen?«
    »Du meinst wohl, bei den Namen, die du ihnen gibst!«, fuhr Mutter sie an. »Von mir aus kannst du über Mauri sagen, was du willst, aber hör auf, Katja mit deinem Gerede über Rane durcheinanderzubringen.«
    »Sie fragt doch die ganze Zeit nach ihm.«
    »Dann gib ihr keine Antwort!«

    Ich trug das Tablett zum Tisch, Katja brachte den Kaffee. Ob sie das Gespräch mitbekommen hatte, wusste ich nicht. Wie gern hätte ich jetzt allein im Auto gesessen, auf einer dunklen Straße, auf der man nichts sah als meine Scheinwerfer. Ich goss den Kaffee ein und schnitt mir ein großes Stück Torte ab.
    Hunger hatte ich zwar nicht mehr, aber ich wollte Mutter eine Freude machen.
    »Woran arbeitest du gerade?«, wandte sich Veikko an Sara und setzte sich zu mir aufs Sofa. Sara tat zuerst geheimnisvoll, erzählte dann aber, sie würde eventuell in irgendeinem Künstler-restaurant, von dem ich nie gehört hatte, ihre Bilder ausstellen können.
    »Ihr gewöhnlichen Menschen habt natürlich andere Normen«, fuhr sie mit vollem Mund fort, »aber für Künstler ist Ehrlichkeit das Wichtigste. Ohne sie entsteht keine große Kunst, meinst du nicht auch, Veikko?«
    »Kunst und Ehrlichkeit haben nichts miteinander zu tun.«
    Veikko grinste mich an. »Man darf stehlen, lügen und betrügen, soviel man will. Was sagst du dazu, Katja? Spielt es für dich eine Rolle, ob die Songs deiner Lieblingsgruppen der Wahrheit entsprechen, ob sie von wirklichen Erlebnissen erzählen?«
    »Ich spreche nicht von Wahrheit, sondern von Ehrlichkeit!«, rief Sara so heftig, dass die Schokokrümel bis aufs Sofa flogen.
    »Davon, dass man authentisch ist!«
    Ich nahm meine Tasse, ging in mein Zimmer und schaltete den Computer ein. Yazu hatte mir gemailt.
    »Die ganze Familie ist besoffen von Tante Aulikkis selbstge-machtem Wein. ›I’m dreaming of a White Christmas.‹«
    Ich war in der gleichen Stimmung und schrieb zurück, auch ich hätte gern Schnee in den Nasenlöchern und der Titelsong meines Weihnachtsabends sei »Silent night, lonely night«. Dann warf ich noch eine gelbe Pille ein und wartete darauf, dass die Wirkung einsetzte. Bald darauf stand Mutter an der Tür.

    »Kaitsu, mein Schatz, jetzt gibt es Geschenke.«
    Als wir klein waren und in Pielavesi Weihnachten feierten, kam jedes Jahr der Weihnachtsmann. Erst als Oma im Krankenhaus lag und wir zum ersten Mal ohne sie in Matinkylä feierten, war Mutter bereit, die Tradition aufzugeben. Jetzt wurden die Geschenke einfach aus Schränken und Taschen hervorgeholt und in den großen Wäschekorb gelegt, aus dem Veikko sie dann wieder herausnahm und verteilte. Besonders viele waren es nicht mehr. Von Mutter bekam ich wieder Socken und einen Schlafanzug, von Veikko einen Krimi und von Sara Rasierwasser.
    Katja hatte mir die einzige Vinylplatte von Black Sabbath gekauft, die in meiner Sammlung noch fehlte. Ich wusste, dass sie dafür mehrere Hunderter hingeblättert hatte. Im Allgemeinen gab Mutter Katja und mir neben Kleidungsstücken irgendein größeres Geschenk, aber diesmal war die Bilanz mager. Das störte mich nicht weiter, die Wirkung der gelben Pille hatte endlich eingesetzt. Als alle Päckchen ausgepackt waren, holte Mutter ihre Handtasche und nahm zwei Briefumschläge heraus.
    Den einen gab sie Katja, den anderen mir.
    »Vorsichtig öffnen«, sagte sie mit bebender Stimme.
    Ich riss den Umschlag behutsam auf. Er enthielt nur ein Stück Papier, einen

Weitere Kostenlose Bücher