Lehtolainen, Leena
junger Mann hinter Katja auf. Er kam mir bekannt vor, doch ich konnte mich nicht erinnern, wer er war.
»Pekka Kalmanlehto, wir waren früher Nachbarn in Matinkylä«, sagte er und hielt mir die Hand hin. Ich sah sie an, ohne zu wissen, was ich damit tun sollte, bis ich auf die Idee kam, sie zu ergreifen. »Kaitsu kommt bestimmt durch, sein Wagen hatte ja einen Airbag.«
Auch der junge Kalmanlehto roch nach Bier, er hatte natürlich mit Katja in der Kneipe gehockt. An der Tasche von Katjas Jeans hing ein orangegelber Faden, sie hatte Wimperntusche auf der Wange. Ich setzte mich auf einen Stuhl, der einsam mitten im Flur stand. Der junge Kalmanlehto machte sich auf die Suche nach einem Arzt, während Katja hin und her ging. Meine Füße waren eiskalt. Dann ging eine Tür auf, und eine junge Ärztin, jünger als Katja, kam mit langen Schritten auf mich zu und stellte sich vor. Ihr Händedruck war scheu und kurz. Von dem, was sie sagte, verstand ich nur, dass die Operation noch mehrere Stunden dauern würde, aber dass Kaitsu höchstwahrscheinlich am Leben blieb.
»Die inneren Verletzungen sind nicht allzu schwer, wir können mindestens eine Niere retten. Was uns Sorgen macht, ist vor allem die Rückgratverletzung. Es besteht die Gefahr einer Querschnittslähmung.«
»Darf ich zu ihm?«, fragte ich. In den Krankenhausserien stehen die Mütter oft schluchzend an der Glastür zum OP.
»Sie können hier warten, aber am besten wäre es, nach Hause zu fahren, wir melden uns, wenn es Neuigkeiten gibt. Name und Telefonnummer haben Sie sicher bei der Anmeldung hinterlassen, nicht wahr?«
Ich hatte nicht vor, zu gehen. Ich würde mich nicht vom Fleck rühren, bis ein richtiger Arzt kam und mir sagte, Kaitsu sei außer Gefahr. Der junge Kalmanlehto murmelte, er müsse telefonieren, und ging hinaus. Marja, seine Mutter, war eine perfekte Hausfrau gewesen. Ihre Wohnung war jederzeit aufgeräumt, ihre Kinder hatten immer saubere Kleidung an.
Manchmal, wenn Katja und Kaitsu bei ihr waren, flickte sie auch Kaitsus Strümpfe und Hosen, obwohl ich sagte, das sei nicht nötig. Sie behauptete, Stopfen mache ihr Spaß. Dann starb ihr Vater, sie erbte, und die Kalmanlehtos zogen nach Tapiola, wo die besseren Leute wohnen. Marja hatte mich beim Umzug beschworen, mit ihr in Verbindung zu bleiben, doch sie selbst hatte nicht einmal eine Karte zu Weihnachten geschickt. Als sie vor einigen Jahren in die Buchhandlung kam, versteckte ich mich zwischen den Regalen. Eine Vielleserin schien sie nicht zu sein, denn ich hatte sie nur dieses eine Mal gesehen.
Katjas Augen glitzerten. Pekka Kalmanlehto kam zurück und sprach von irgendeinem Code, einem Grußcode oder so ähnlich.
Katja nickte und brachte es sogar fertig, zu lächeln. Ihr Lächeln machte mich wütend. Ein großer Mann in einem eleganten braunen Mantel kam herein. Am rechten Arm hatte er einen Gipsverband. Irgendein Politiker, ich hatte ihn schon mal im Fernsehen gesehen. Eine Krankenschwester eilte ihm nach, dann auch die junge Ärztin.
»Hier sind die Angehörigen von Kaitsu Tiainen«, sagte die Ärztin, und der Mann stellte sich vor:
»Timo Sarvimäki, Parlamentsabgeordneter. Ihr Sohn hat mich gefahren, als … als … es zu dem bedauerlichen Unfall kam.
Wie geht es ihm?«
»Wie ist das eigentlich passiert?«, fragte Katja. Ich selbst brachte kein Wort heraus.
»Der andere Wagen kam direkt auf uns zu … Er überholte einen Lkw, obwohl die Straße zu schmal war. Der Taxifahrer konnte so weit ausweichen, dass beim Aufprall nur die linke Seite getroffen wurde. Meine Frau und meine Tochter saßen hinten, ich vorn. Wenn der Fahrer nicht so schnell reagiert hätte, wären wir alle tot. Er ist der einzige Schwerverletzte, meine Frau und meine Tochter haben nur kleine Kratzer davongetra-gen«, berichtete der Mann. Es hörte sich an, als schildere er einen seltsamen Traum. »Wie geht es Ihrem Sohn?«
Er legte seine gesunde Hand auf meine Schulter, das Gewicht war mir unangenehm.
»Er wird noch operiert«, antwortete Katja. »Was ist mit den Leuten in dem anderen Wagen?«
»Ich weiß es nicht, danach müssen wir die Ärzte fragen.«
Sarvimäki sah die Ärztin und die Krankenschwester an, doch beide schüttelten den Kopf, als wüssten sie nichts. Dabei wollten sie mir nur nicht sagen, dass Kaitsu der Einzige war, der in Gefahr schwebte.
»Alle anderen sind also ohne ernsthafte Verletzungen davongekommen?«, hörte ich mich fragen. Meine Stimme klang merkwürdig, schrill und
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