Lehtolainen, Leena
besiegte ich ihn dreimal und verlor zweimal gegen Pekka. Es war mindestens so lustig, den beiden Männern beim Spiel zuzusehen, wie selbst zu spielen.
Sie flachsten wie Menschen, die sich wirklich gut leiden können.
»Pekkas Mund ist so breit, dass fünf Bierflaschen auf einmal reinpassen. Auf die Weise kann er sich extrem schnell besau-fen«, erklärte Kode.
»Hast du es schon mal probiert?«
»Seit über zehn Jahren nicht mehr. Manche Mädchen hab ich damit schwer beeindruckt.«
»Bei mir wirkt der Trick nicht«, sagte ich und setzte mich an einen Ecktisch. Es war Zeit, den Billardtisch anderen Gästen zu überlassen.
»Kommst du gelegentlich mal ins Studio und spielst uns deine Songs vor?«, fragte Kode aus heiterem Himmel. »Versprechen kann ich dir nichts, aber ich höre mir gern alles an.«
Ich zögerte mit der Antwort, um meine Begeisterung nicht allzu offensichtlich zu zeigen. So etwas konnte mir doch nicht passieren, für mich war doch ein beklemmendes, trübes Leben vorgesehen!
»Na gut«, sagte ich schließlich kühl. »Machen wir einen Termin aus.«
Vor lauter Herzklopfen hätte ich das Klingeln meines Handys fast überhört. Ich schaute auf die Nummernanzeige: Mutter.
Wenn sie so spät noch anrief, musste es etwas Wichtiges sein.
Also meldete ich mich.
»Katja.« Ihre Stimme klang viel älter als sonst. »Kaitsu liegt im Sterben. Er hat einen Unfall gehabt und ist …«
NEUNZEHN
Sirkka
»… auf der Intensivstation. Sein Zustand ist kritisch, aber stabil.«
Nachdem ich diese Worte herausgebracht hatte, konnte ich nicht mehr weiterreden. Ich hatte schon geschlafen, als die Polizei um halb zwölf anrief. Wütend war ich ans Telefon gerannt, ich glaubte, es wäre Sara.
Der Polizeibeamte erklärte, aus ermittlungstechnischen Gründen könne er mir nicht mehr sagen, als dass Kaitsu auf der Hankoer Landstraße, gleich hinter der Brücke über die Espooer Bucht, frontal mit einem anderen Pkw zusammengestoßen war.
Man habe ihn auf die Intensivstation gebracht. Ich rief in der Klinik an und hörte, sein Zustand sei kritisch, aber stabil. Gleich darauf wählte ich Katjas Nummer.
»Mutter?«, hörte ich ihre erschrockene Stimme. »Bist du im Krankenhaus? Wohin haben sie Kaitsu gebracht?«
Ich hörte Stimmengewirr im Hintergrund. Ich begriff, dass der Lärm aus einem Lokal kam und dass es draußen schneite und dass Katja mir aufgeregt Fragen stellte. Doch mein Mund war wie zugeklebt, die Lippen schienen dick wie Bockwurst zu sein, die Schleimhäute waren geschwollen.
»Katja …«, brachte ich schließlich mit größter Anstrengung hervor. »Kaitsu ist in der Klinik … in Jorvi.«
»Bist du auch dort?«
»Nein. Ich fahr gleich los.«
»Ich komm auch hin, treffen wir uns da!«
Katja legte auf. Ich starrte den Hörer an, als wüsste ich nicht, wozu man ihn benutzte. Ein schrilles Tuten drang an mein Ohr, immer hektischer, wie das Warnsignal vor einer Sprengung.
Kritisch, aber stabil. Ich setzte mich auf den Fußboden und wartete.
Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis das Schweregefühl verging. Plötzlich wurde mir klar, dass ich mich anziehen, ein Taxi rufen und in die Klinik fahren musste. Und zwar schnell, wenn ich meinen Sohn noch einmal lebend sehen wollte. Mir war kalt, ich zog eine Strickjacke über den Pullover.
Der Taxifahrer war ein übergewichtiger älterer Mann mit rotem Gesicht. Er trug keinen Ehering. Warum war der Unfall nicht ihm zugestoßen statt meinem Sohn, der sein Leben noch vor sich hatte? Als ich ihn bat, mich zur Klinik zu fahren, warf er mir einen misstrauischen Blick zu, als hätte ich eine anste-ckende Krankheit. Ich wusste nicht, ob er Kaitsu kannte, und wollte ihn auch nicht fragen. Im Radio kamen nichtssagende englischsprachige Schlager, das irritierte mich. Als die Kinder Teenager waren, hatten sie die ganze Wohnung mit ihrer Musik gefüllt, je weniger mir ein Stück gefiel, desto öfter hatten sie es gespielt. Jetzt wünschte ich, Kaitsu wäre zu Hause und ließe seine dröhnende Rockmusik laufen.
Ich gab dem Taxifahrer kein Trinkgeld und verlangte keine Quittung. Katja wartete bereits in der Aufnahme der Intensivstation.
»Wo warst du denn so lange, Mutter?«, fragte sie und fasste mich am Arm. »Kaitsu wird gerade operiert, ein paar Rippen sind gebrochen und das Rückgrat …«
Sie roch nach Alkohol und Zigaretten.
»Der Arzt war vor einer Weile hier, aber er musste wieder weg
… Sicher kommt gleich jemand …«
Plötzlich tauchte ein
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