Lehtolainen, Leena
Blumen – die weibliche Hand fehlte. Ich hatte das Leben in der WG längst satt, denn dort wusste man nie, wen man am Morgen in der Küche antraf, und konnte keinen Wein in den Kühlschrank stellen, weil ihn garantiert irgendwer austrank. Zum Glück hatte ich Zahnbürste und Parfüm dabei.
Bilder von Mauris Exfrau und den Kindern waren nirgends zu sehen, doch ich entdeckte sie schließlich im Kleiderschrank. Die Kinder sahen ganz gewöhnlich aus, die Exfrau hatte einen grausamen Mund und eine Adlernase. Mit vierunddreißig war ich jung genug, um noch Kinder zu bekommen. Wenn sich ein Baby ankündigte, würden wir allerdings eine größere Wohnung brauchen.
Im Lauf dieses einen Vormittags erfuhr ich alles, was ich über Mauri wissen musste. Nichts in der Wohnung erinnerte an Sirkka, in dieser Hinsicht brauchte ich mir also keine Sorgen zu machen. Nur gut, dass sie ganz in der Nähe arbeitete, da konnte sie mir das Busgeld leihen. Mein Konto war nämlich leer, das Arbeitslosengeld würde erst in ein paar Tagen eintreffen, aber meine Schwester würde sicher einen Zehner erübrigen können, vielleicht sogar etwas mehr.
Es war ein sonniger Aprilmorgen. Geruhsam spazierte ich von Mauris Wohnung ins Zentrum von Tapiola. In den Vorgärten blühten Krokusse, die Welt war strahlend schön. Ich war verliebt und glücklich, lächelte die Passanten an und blieb immer wieder stehen, um einen Hund zu streicheln.
Sirkka war überrascht, als ich unangemeldet hereinschneite, führte mich dann aber in den Pausenraum, wo sie ihr Portemon-naie aufbewahrte, und berichtete eifrig, Mutter habe Mauri sehr sympathisch gefunden. Das war natürlich gut, immerhin wollte ich ihn zu ihrem Schwiegersohn machen.
»Na, und wo hast du dich wieder rumgetrieben?«, fragte sie dann unfreundlich, denn in ihrer kleinen Welt war nur Platz für sie selbst und Mauri.
»Bei einer Bekannten, die mitten in einer hässlichen Scheidung steckt. Ihr Mann hat sogar die Bankkarte mitgenommen, ich musste ihr mein ganzes Geld geben.«
»Na ja, geizig bist du nicht, das muss man dir lassen. Du bist immer bereit, anderen zu helfen«, meinte Sirkka, nun schon freundlicher, und ich merkte, dass sie mich umarmen wollte, sich aber im letzten Moment zurückzog. »Hier hast du einen Hunderter, damit du dir auch etwas zu essen kaufen kannst. Zahl das Geld irgendwann zurück, wenn du wieder flüssig bist.«
»Danke, Sirkka, du bist die Allerbeste!« Ich umarmte sie und fuhr zurück nach Helsinki, um mein künftiges Leben zu planen.
Sobald ich zu Hause war, rief ich Mauri an. Er behauptete, er sei gerade in einer Besprechung, und versprach, mich später am Nachmittag zurückzurufen. Da er nichts von sich hören ließ, versuchte ich es erneut, doch die Vermittlung sagte, er nehme zurzeit keine Gespräche an.
Ich war außer mir. Was war nur in ihn gefahren? Zu Hause meldete er sich auch nicht. Ich überlegte, ob ich Sirkka anrufen und ihr alles erzählen sollte. Das wäre nur barmherzig gewesen.
Aber vielleicht war Mauri bei ihr?
Während ich noch darüber nachdachte, klingelte endlich das Telefon.
»Oh, Mauri, Liebster! Ich habe den ganzen Tag an dich gedacht!«
»Und ich an dich. Hör mal, Sara, wegen letzter Nacht … Lass uns vergessen, was passiert ist.«
»Auf gar keinen Fall! Mauri, ohne dich kann ich nicht leben!
Ich bringe mich um, wenn du zu Sirkka zurückgehst!«
Ich weinte und flehte, denn mir blutete das Herz, als hätte ein Löwe es zerfleischt. Wenn Mauri nur in meiner Nähe gewesen wäre, hätte ich ihm gezeigt, wie sehr meine Seele nach ihm dürstete.
»Sara, bitte, sag das nicht! Beruhige dich. Ich komme zu dir, sag mir, wo du wohnst.«
Und er kam. Ich hatte inzwischen Trauerkleidung angelegt.
Auch Mauri brach es fast das Herz, als er erkannte, wie tief mein Schmerz war. Er versuchte sich zu wehren, kapitulierte jedoch bald vor meiner Leidenschaft. Einige Wochen lang traf er sich abwechselnd mit uns beiden, bis ich es eines Abends nicht mehr aushielt. Ich war bei ihm, und wir hatten uns stundenlang feurig geliebt.
»Lass uns Sirkka anrufen«, schlug ich vor. »Oder nein –
fahren wir zu ihr! Es ist fairer, es ihr von Angesicht zu Angesicht zu sagen.«
»Ihr was zu sagen?« Mauri zog sich an. Sein Bauch war rührend weich, er war kein Jüngelchen mehr. Die Härchen an seinen Waden wurden schon grau.
»Was mit uns los ist, natürlich! Dass wir uns lieben und heiraten wollen. Ich will es der ganzen Welt verkünden!«
»Heiraten? Wie kommst
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