Lehtolainen, Leena
versucht, gemeinsam etwas zustande zu bringen, aber unter guter Musik verstand Kaitsu einen kalten Maschinensound mit pochendem Rhythmus und einer Melodie, die nur aus ein paar Tönen bestand. Ich wollte kompliziertere Tonfolgen, die sich dann mit dem passenden Text verflochten.
Auch Karri hatte über die Seltsamkeit seines Studienfaches geklagt. Er hatte Allgemeine Literaturwissenschaft gewählt, weil er massenweise Bücher lesen wollte. Literarische Werke in ein theoretisches Gerüst zu sperren oder sie mit verschiedenen Analysemethoden zu zerlegen hatte ihm nicht behagt.
Im ersten Studienjahr sprach er oft begeistert über Literatur.
Dann nahm er die runde Brille ab, und ein träumerischer Ausdruck trat in seine kurzsichtigen Augen. Damals las er Joyce und Nabokov, Kafka und Dostojewski. Veikkos Romane waren ihm zu bäuerlich, ihn verlangte es nach Internationalität. Als er anfing, im Sprachenzentrum der Universität Russisch und Spanisch zu lernen, war ich mehr als zuvor von seinem Leben ausgeschlossen.
Auf Karris Studienkolleginnen war ich von Anfang an eifersüchtig. Ich fragte ihn nach den Mädchen aus und bestürmte ihn, mich zu den Partys mitzunehmen. Er stellte mich allen als seine Mitbewohnerin Katja vor. Er bezeichnete mich nicht als seine Freundin oder Lebensgefährtin, aber auch nicht nur als Bekannte. Ich war einfach Katja, genauer brauchte man mich nicht zu definieren. Manchmal ging er mit Freunden in eine Kneipe und blieb lange weg. Ich wartete auf ihn, war wütend, stellte aber belegte Brote für ihn bereit wie eine resignierte Ehefrau. Fast immer kam er im Lauf der Nacht nach Hause, und er sprach über kein Mädchen ausführlicher als über die anderen. Ich hörte genau hin und versuchte festzustellen, ob sein Tonfall sich änderte, wenn er von irgendeiner Frau sprach, bemerkte aber nichts.
Ich hatte niemanden außer Karri, ich brauchte keine anderen Menschen. Ich plante unser künftiges Leben, hatte sogar schon Namen für unsere Kinder ausgesucht, obwohl wir auch nach einem Jahr Zusammenleben noch nicht miteinander geschlafen hallen. Es war mir peinlich, Gäste zu haben, denn unsere Betten standen nicht nebeneinander, sondern an gegenüberliegenden Wänden unserer Einzimmerwohnung, zu beiden Seiten des Esstischs. Natürlich sah das Arrangement eher nach einer Wohngemeinschaft aus als nach einer Liebesbeziehung.
Dann bekam Karri eine Stelle als Zivildienstleistender. Der Umschlag mit der Benachrichtigung steckte im Briefschlitz, als ich von der Arbeit kam. Am liebsten hätte ich ihn über Dampf geöffnet, denn ich wusste, dass der Inhalt für die nächsten anderthalb Jahre auch mein Leben beeinflussen würde. Ich zwang mich jedoch zu warten, bis Karri von der Vorlesung über skandinavische Literatur zurückkam, die bis sieben Uhr dauerte.
Scheinbar gleichmütig hielt ich ihm den Brief hin. Als er ihn aufriss, versuchte ich an seinem Gesicht abzulesen, was darin stand.
»Ich muss nächsten Monat in einer Nervenheilanstalt bei Joensuu zum Dienst antreten.«
Die Nachricht traf mich derart, dass ich mir eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank holte und in zwei Zügen leerte.
»Joensuu? Das ist ja furchtbar weit weg, so weit wie Pielavesi.«
»Schon, aber es ist eine Nervenklinik, begreifst du? Ein interessanter Ort. Vielleicht kann ich da Stoff für meine Romane sammeln.«
Karri wollte Schriftsteller werden, so wie ich von einer Lauf-bahn als Liedermacherin träumte. Wenn ich zur Arbeit ging, setzte er sich manchmal hin und schrieb, hatte mir aber noch keine Zeile gezeigt. Ich selbst sang ihm manchmal meine Lieder vor, allerdings nur solche, in denen es nicht um Liebe ging.
»Dann kannst du wahrscheinlich nicht mal jedes Wochenende nach Hause kommen?«
»Lohnt nicht, das sind sechs Stunden Zugfahrt.«
Natürlich hatte ich gewusst, dass Karri eines Tages zum Zivildienst gehen musste, doch ich hatte gehofft, er bekäme eine Stelle in der Nähe und könnte weiter bei mir wohnen. Ich hasste die ganze Stadt Joensuu, die mir Karri wegnahm, ich hasste die Heilanstalt mitsamt ihren Patienten und Ärzten.
»Du darfst nicht gehen!«, rief ich. »Ich liebe dich!«
Nun war es heraus. Karri zog mich nicht an sich, wie ich es mir immer ausgemalt hatte, sondern wurde blass.
»Ich weiß«, murmelte er schließlich. »Aber ich dich nicht …
nicht auf diese Weise. Ich mag dich schrecklich gern, Katja, du bist meine beste Freundin, aber … Es ist wirklich besser, dass ich gehe. Dann vergisst du mich
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