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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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schwarze, lockige Haar um sein schmales Gesicht wie ein Strahlenkranz auf einem Negativ. Um die Augen hatte er Fältchen, doch der große, schmallippige Mund sah genau so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte, ebenso die ganze Gestalt mit den langen Beinen und dem leicht gekrümmten Rücken.
    »Hallo, ich bin Katja Tiainen. Sorry, ich hab mich ein bisschen verspätet.«
    »Tag, Katja. Macht gar nichts, ich hatte vorher noch was zu erledigen, und das hat auch länger gedauert, als ich dachte.«
    »Hoffentlich hab ich dich nicht unterbrochen?«
    »Überhaupt nicht, ich war gerade fertig.« Kode stand auf, ein fast zwei Meter großer und immer noch spindeldürrer Mann, der früher die extremste Ramones-Pose in ganz Finnland hingelegt hatte. »Setz dich doch. Kann ich dir was anbieten – Kaffee, Limonade?«
    »Limonade«, murmelte ich. Bei meinen trockenen Lippen war mir das Angebot sehr willkommen. Ich setzte mich an die andere Seite des Schreibtischs und nahm Recorder und Mikrofon aus der Tasche. Mein Fragebogen hätte nicht unwissenschaftlicher aussehen können, er war zerknittert und mit Lidschatten beschmiert.
    »Vor ein paar Tagen hab ich Ari Haarala getroffen und ihm erzählt, dass du eine Magisterarbeit über uns schreibst. Er war schwer beeindruckt und lässt dir ausrichten, du könntest ihn auch interviewen, wenn du willst. Wie bist du auf das Thema gekommen?«
    »Ich wollte über etwas schreiben, was mir Spaß macht«, erwiderte ich. Das war nur die halbe Wahrheit. Wenn ich ganz ehrlich gewesen wäre, hatte ich antworten müssen: Ich bete dich seit fünfzehn Jahren an, deine Songs und die der anderen Bands haben mir wer weiß wie oft das Leben gerettet. Das Thema meiner Arbeit interessierte mich zwar brennend, doch eigentlich war es viel zu persönlich.
    »Ein guter Grundsatz«, lachte Kode, öffnete eine Limonaden-flasche und reichte sie mir. Ich bat um seine Einwilligung, unser Gespräch aufzunehmen, und begann zu fragen. Meine eigene Stimme kam mir fremd vor. Ich versuchte, sie tief zu halten, piepste und kicherte jedoch immer wieder wie ein alberner Backfisch. Kode antwortete ruhig und humorvoll. Ich wusste nicht, ob ich ihn ansehen sollte oder nicht. Es war unglaublich, dass er mir gegenübersaß, fast zum Greifen nahe, und mit mir redete wie mit einer alten Bekannten. Die erste halbe Stunde verging wie im Flug, ich drehte die Kassette um, und gleich darauf, so schien es mir, war auch die zweite Seite abgelaufen.
    Ich legte eine neue ein und stellte die nächste Frage:

    »In euren Songs und auch bei den anderen Ramobands wim-melt es von durchgedrehten und sterbenden Freundinnen.
    Sheena, Mari, Leena und so weiter. Woher kommt das?«
    »In unseren Songs sterben weniger Frauen als bei den anderen, ausgenommen Luonteri Surf«, lachte Kode. »Die bösesten Sheena-Songs sind aus meinen eigenen Problemen hervorge-gangen. Damals hatte ich mein Privatleben gründlich vermurkst und war überzeugt, alle Frauen wären Schlangen. Dieser eine Song, ›Verdammte Sheena‹, ist ja komplett in Moll gehalten, das hatten wir bis dahin noch nie gemacht. Heute würde ich mich schämen, derart von Selbstmitleid triefende Songs zu schreiben.«
    »Verdammte Sheena, du hängst mir nach, dein Schal liegt noch bei mir, hol ihn dir, und ich erwürge dich.« Nachdem Karri mich verlassen hatte, hatte ich den Song tausendmal gehört und mir eingebildet, niemand könne sich so elend fühlen wie ich.
    »Geht es in deinen Texten oft um persönliche Erfahrungen?«
    Diese Frage stand zwar nicht auf meiner Liste, aber ich musste sie einfach stellen.
    »Halb und halb. Manche handeln auch von Freunden, zum Beispiel ›Timo und Niina‹ oder ›Mikko geht nach Kalifornien‹.
    Ein Bekannter aus dem Zivildienst, Mikko Rusanen, ist wegen einer Frau nach Kalifornien gezogen, und da ist dann natürlich alles schiefgelaufen. Er war ziemlich sauer, als er nach Finnland zurückkam und den Song im Radio hörte.«
    Kodes Grinsen wirkte ansteckend.
    »Du hattest ihn nicht um Erlaubnis gebeten?«
    »Das hätte ich wahrscheinlich tun sollen! Mikko ist ausgesprochen friedfertig, aber damals hätte ich beinahe Prügel von ihm bezogen.«
    Ich spürte die Wärme, die Kodes Lachen in meinem Innern auslöste. Er schien es nicht eilig zu haben. Wortreich erzählte er von der Geschichte seiner Band, von der Entstehung seiner Songs und von gemeinsamen Auftritten mit anderen Ramo-Gruppen.
    »Hast du die anderen auch befragt?«
    »Ich hab allen geschrieben, heute

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