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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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sind die ersten Antworten gekommen. Aber ich kann nicht ohne weiteres für ein Interview nach Tampere oder gar nach Juva fahren.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass alle antworten, damit ich in deiner Arbeit nicht ganz allein zu Wort komme. In einer E-Mail oder einem Brief hätte ich gar nicht alles untergebracht, das habe ich dir ja gleich gesagt. Bei unseren Konzerten haben die Leute manchmal gerufen, ich soll nicht so viel quatschen, sondern singen!«
    »Ist Salamasota endgültig aufgelöst?«
    »Ja. Ari hat jetzt seine eigene Technoband. Jussi ist in England, und ich arbeite hauptsächlich als Produzent. Ab und zu spiele ich mit dem Gedanken, ein Soloprojekt zu machen, bei dem ich alle Instrumente selbst spiele. Was dabei herauskommt, weiß ich noch nicht, jedenfalls keine Surfmusik. Was spielst du eigentlich?«
    Seine Frage brachte mich aus dem Konzept, es war so einfach gewesen, nur zuzuhören. Ich stammelte, meine Instrumente seien Gitarre und Klavier, aber hauptsächlich würde ich singen.
    Inzwischen hatte ich schon mehr als anderthalb Stunden bei Kode gesessen, sicher hatte er Besseres zu tun, als mit mir zu plaudern. Eigentlich mochte ich noch nicht gehen, ich hätte den schönsten Moment in meinem Leben gern noch ein wenig ausgedehnt. Trotzdem sagte ich:
    »Ich glaube, das reicht. Danke für deine Geduld.«
    »Wer spricht nicht gern über sich? Als Nächstes solltest du eine Dissertation über uns schreiben, dann rufen wir bei der öffentlichen Doktordisputation Bravo und sorgen bei der Promotionsfeier für die Musik«, lachte Kode, und ich spürte, dass ich rot wurde. Natürlich träumte ich davon, zu promovie-ren, aber ich tat mich ja schon mit der Magisterarbeit schwer genug.
    »Falls du Interesse hast, schicke ich dir die Arbeit, wenn sie fertig ist«, versprach ich.
    »Natürlich interessiert sie mich! Hast du übrigens unsere Platten?«
    »Alle, bis auf die Weihnachtssingle. Die ist nirgendwo aufzutreiben.«
    »Davon wurden nur tausend Exemplare gepresst, aber wir haben bestimmt noch ein paar im Lager. Komm mal mit!«
    Vollkommen überwältigt folgte ich ihm auf den Flur. Ich hatte die Vinylsingle einmal auf einer Plattenbörse entdeckt, aber der Verkäufer wollte 250 Mark dafür haben, und ich hatte damals höchstens noch zwanzig. Ich wartete auf dem Flur, während Kode sich im Lager umsah.
    »Hast du einen Stift dabei?«, fragte er, als er mit einer Platte in leuchtend rotem Cover zurückkam. Ich kramte einen Kugelschreiber aus der Tasche, und er kritzelte verschmitzt lächelnd etwas auf die Hülle. Im selben Moment ging eine Tür, und Pekka Kalmanlehto stand neben uns.
    »Na, Katja, hat der Meister dir eine Chance gegeben, deine Fragen zu stellen?«, fragte er und knuffte Kode in die Rippen.
    »Wer behauptet, finnische Männer brächten den Mund nicht auf, der kennt Kode nicht. Katja und ich waren früher mal Nachbarn. Hat sie dir erzählt, dass sie selber Songs schreibt?«
    Am liebsten hätte ich ihn in die nächste Toilette gestopft und abgezogen.
    »Nein. Was denn für welche?«, erkundigte sich Kode höflich.
    »Ach, nur so Balladen, nichts Besonderes. Danke für alles, ich muss jetzt los!«

    »Wenn du noch Fragen hast, ruf an oder schick eine Mail!«, rief Kode mir nach.
    Ich ging hinaus, ohne recht zu wissen, wer ich war und wohin ich wollte. Mein Hals war wie zugeschnürt, mir war heiß und kalt zugleich, und ich spürte ein schmerzhaftes, aber wundervolles Prickeln. Da sah ich mein Gesicht im Seitenspiegel eines Autos: plattgedrückte Haare, verschmierter Lidschatten, zerlaufener Lippenstift. Ich marschierte in den nächsten Supermarkt und kaufte drei Flaschen Cider und eine Packung Fleischpaste-ten.
    Zu Hause holte ich die Platte aus der Tasche. »Für Katja als Untersuchungsmaterial und verfrühtes Weihnachtsgeschenk. In Freundschaft, Kode Salama« stand in großen, festen Buchstaben darauf. Ich küsste die Platte und merkte im selben Moment, dass ich mich benahm wie eine Vierzehnjährige.
    Meine Therapeutin hatte in ihrem abschließenden Gutachten geschrieben, ich sei emotional unreif und sexuell gehemmt. Das hätte ich auch ohne Gutachten gewusst. Staunend beobachtete ich, wie meine Bekannten feste Beziehungen eingingen und sich entschlossen, Kinder zu bekommen: Das würde ich nie wagen.
    Zumindest war meine Zeit noch nicht gekommen. Ich wollte keine Schmerzen mehr.
    Der Cider schmeckte künstlich und bitter, denn das Mittel gegen die Übelkeit verfälschte den Geschmackssinn. Ich war

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